Seit zwei Jahren haben die Innogy-Aktionäre Grund zur Freude. Gut 30 Prozent hat der Aktienkurs des Ökostromanbieters nach dem Börsendebüt im Oktober 2016 zugelegt - von einem kurzzeitigen Abtaucher abgesehen. Die sich wieder verbessernden Gewinnaussichten für die Strombranche in Europa haben dazu beigetragen. Dazu sorgt der schnellere Ökostromausbau, auf den sich die Bundesregierung in der Vorwoche geeinigt hat, für neuen Rückenwind im Geschäft mit erneuerbaren Energien.
Zudem treibt die im März beschlossene Übernahme von Innogy durch den Konkurrenten Eon den Kurs. Der hatte sich mit dem Innogy-Mutterkonzern RWE auf ein spektakuläres Tauschgeschäft geeinigt. Dabei übernimmt Eon die 76,8 Prozent, die RWE noch an der Tochter hält. Im Gegenzug erhält RWE eine Beteiligung von 16,7 Prozent an Eon sowie die Aktivitäten von Innogy und Eon bei der Stromproduktion mit erneuerbaren Energien. Das Innogy-Netz sowie der Vertrieb werden bei Eon, Solarstrom und Windkraft bei RWE eingebaut. Die Zustimmung der europäischen Kartell- und Regulierungsbehörden steht noch aus.
Übernahmepoker für Aktionäre
Geht alles glatt, geht das Aktienpaket von RWE wahrscheinlich Ende Juni 2019 an Eon. Die Strukturen der deutschen Eon-Regionalversorger und der deutschen Innogy-Regionalgesellschaften, so gab Innogy diese Woche bekannt, sollen erhalten bleiben. Und auch wenn "an einer Markenarchitektur gearbeitet wird", soll das neue Unternehmen unter dem Namen Eon firmieren. Zumindest was die Zukunft der Belegschaft angeht, hat Innogy-Chef Uwe Tigges bei den Übernahmeverhandlungen die angestrebte "Integration auf Augenhöhe" weitgehend erreicht: Betriebsbedingte Kündigungen sollen so gut wie ausgeschlossen sein.
Mit Innogy sichert sich Eon einen wichtigen Renditebringer. Von seiner Gewinnentwicklung her schneidet das im MDAX gelistete Unternehmen wesentlich besser ab als die beiden DAX-Konzerne. Dasselbe gilt für die Kapitalrendite (siehe Tabelle rechte Seite). Diese höhere Profitabilität spiegelt sich auch im Börsenwert wider. Hier kommt Innogy auf rund 22 Milliarden Euro - und lässt damit Eon mit 19,1 Milliarden und RWE mit 11,1 Milliarden deutlich hinter sich.
Die Geschäftszahlen für den Zeitraum Januar bis September fielen durchwachsen aus. Der operative Gewinn sackte um elf Prozent auf 1,9 Milliarden Euro ab. Innogy schaffte es nicht, sinkende Ergebnisse im Netzbereich und niedrigere Einnahmen bei erneuerbaren Energien durch Einnahmen aus neuen Anlagen zu kompensieren. Die Essener haben aber die bisherigen Jahresprognosen bekräftigt. Will heißen: Der bereinigte Nettogewinn soll mit 1,1 Milliarden Euro zehn Prozent niedriger ausfallen als im Vorjahr. Etwas besser soll es beim bereinigten Ebit aussehen. Hier geht Innogy von einem Rückgang von vier Prozent auf 2,7 Milliarden Euro aus. Größte Baustelle bleibt das margenschwache Strom- und Gasgeschäft in Großbritannien. Der geplante Zusammenschluss mit dem britischen Konkurrenten SSE kommt noch einmal auf den Prüfstand. Beide Seiten wollen wegen neuer regulatorischer Eingriffe nachverhandeln. Die Allianz wird daher wohl nicht wie geplant im ersten Quartal 2019 abgeschlossen.
Innogy-Investoren sollten trotzdem am Ball bleiben. Eon ist aktuell drauf und dran, sich mehr als 90 Prozent der Aktienanteile zu sichern. Ein daraus resultierender Squeeze-out könnte deutlich höhere Kurse mit sich bringen. Das aktuelle Niveau liegt bereits über der Übernahmeofferte von 38,40 Euro je Aktie. Noch nicht widergespiegelt sind darin höhere Margen, sollte das operative Geschäft wieder anziehen. Vor allem Fonds und Hedgefonds haben seit Sommer Positionen in der Erwartung ausgebaut, dass Eon am Ende noch mehr als nur einen Schnaps drauflegen muss.