Wall-Street-Veteran Howard Marks mahnt: Die Tech-Giganten sind zwar teuer, aber das Premium gerechtfertigt – das Risiko liegt bei den übrigen S&P-500-Werten.

Howard Marks gehört zu den wenigen Investoren, deren Worte an der Wall Street regelmäßig das Prädikat „Must read“ tragen. Der Mitgründer und Co-Chairman von Oaktree Capital, ein Altmeister des Value-Investing und Verfasser legendärer Memos wie „Bubble.com“ (1999), hat in der neuesten Ausgabe seiner berühmten Memos eine unbequeme Botschaft parat.

Wie Marks in seiner Analyse „The Calculus of Value“ schreibt, sind nicht die berüchtigten „Magnificent Seven“ – Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon, Meta, Nvidia und Tesla – das Kernproblem der aktuellen Bewertungsdiskussion. Vielmehr liegt die Überhitzung im breiten Rest des Marktes verborgen.

Von „lofty but not nutty“ zu „worrisome“

Marks knüpft an seine Einschätzung vom Jahresbeginn 2025 an, als er schrieb, die US-Märkte seien „lofty but not nutty“ – also hoch bewertet, aber nicht irrational wie in einer Blase. Sieben Monate später fällt sein Fazit skeptischer aus: Das Bewertungsniveau habe sich von „elevated“ zu „worrisome“ verschoben.

Dabei verweist er auf zentrale Indikatoren: ein Rekordniveau der Marktkapitalisierung im Verhältnis zum US-BIP (Buffett-Indikator), historisch niedrige Credit Spreads, überdurchschnittlich hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse und eine Investorenpsychologie, die zunehmend von FOMO geprägt ist. Für Marks sind dies klassische Symptome einer „zu optimistischen“ Marktphase.

Magnificent Seven: Teuer, aber gerechtfertigt

Brisant ist, wo Marks den Finger nicht in die Wunde legt. Die Tech-Giganten, die seit 2023 mehr als die Hälfte der S&P-500-Gewinne generiert haben und mittlerweile rund ein Drittel der Marktkapitalisierung des Index stellen, erscheinen ihm bei einem durchschnittlichen KGV von 33 zwar ambitioniert, die Bewertung aber nicht unvertretbar. 

Seine Begründung: Diese Unternehmen verfügten über „exceptional products, significant market shares, high incremental profit margins and strong competitive moats“ – in der Summe also über eine Ertragskraft, die eine höhere Bewertung rechtfertige. Marks erinnert zudem daran, dass die Nifty Fifty der 1970er-Jahre mit KGVs von 60 bis 90 gehandelt wurden – dagegen wirken die heutigen Multiples der Tech-Elite fast moderat.

Die wahren Bewertungsfallen lauern im breiten Markt

Kritischer sieht Marks die 493 übrigen Indexwerte des S&P 500. Deren durchschnittliches KGV von 22 liegt deutlich über dem historischen Mittelwert im mittleren Zehnerbereich. Damit sind es nicht die hochgejubelten Technologieriesen, sondern die vermeintlich „normalen“ Aktien, die die Bewertungsniveaus des Gesamtmarkts in gefährliche Höhen treiben. „Das macht das Gesamtbild eher bedenklich“, schreibt Marks.

Wie stets bei Marks, ist seine Argumentation eingebettet in eine fundamentale Erinnerung an die Natur der Märkte: Preise spiegeln kurzfristig Psychologie, langfristig Fundamentaldaten. Optimisten treiben Kurse über den inneren Wert hinaus, Pessimisten unter ihn. Doch am Ende ziehe die Gravitation der Fundamentaldaten den Preis zurück in Richtung des wahren Werts.

Aktuell sieht Marks die Marktpsychologie dominiert von Optimismus, FOMO und der Hoffnung, dass die negativen Effekte von Zöllen, Defiziten und Inflation schon nicht so schlimm ausfallen werden. Der „TACO“-Trade – "Trump always chickens out" – sei eine der gängigsten Rationalisierungen dieser Marktphase, die Anlegern das Weitertanzen auf dünnem Eis erleichtern.

Von DEFCON zu INVESTCON: Marks’ Handlungsanweisung

Konsequent leitet Marks aus seiner Diagnose eine Art „Investoren-Defcon“ ab. Sein Rat: INVESTCON 5. Das heißt nicht, panisch alles zu verkaufen oder Short-Positionen aufzubauen, sondern selektiv Risiko zu reduzieren, aggressive Positionen zurückzufahren und defensivere Anlagen wie Credits zu bevorzugen. Einen Crash sieht Marks nicht unmittelbar bevorstehen, doch er mahnt, dass die Bedingungen für überdurchschnittliche Renditen heute schlicht schlechter seien als vor einem Jahr.

Marks’ Memo oszilliert also zwischen Skepsis und Anerkennung. Er hält es für plausibel, dass die „neue, neue Sache“ Künstliche Intelligenz tatsächlich fundamentale Veränderungen bringt – und dass manche Tech-Titel ein höheres Bewertungsniveau rechtfertigen. Gleichzeitig warnt die Investment-Legende aber davor, diese Argumentation pauschal auf alle Unternehmen zu übertragen.

Das Spannungsfeld zwischen fundamentaler Ertragskraft und psychologischer Euphorie bleibt damit auch 25 Jahre nach der Dotcom-Blase sein zentrales Thema. Nur eines ist für Marks klar: Wer glaubt, die „Magnificent Seven“ seien der Ursprung der Marktüberhitzung, schaut in die falsche Richtung.

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Infront S&P 500 (WKN: A0AET0)

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