Der Börsenneuling und MDAX-Aufsteiger Knorr-Bremse hat mit einer handfesten Führungskrise seine Investoren geschockt. Nach Einschätzung der Analysten von JP Morgan und von Morgan Stanley bringt der Abgang nur ein halbes Jahr nach dem Börsenstart dem Bremsen-Weltmarktführer neue Unsicherheit und Risiken. Vorstandschef Klaus Deller hatte am Dienstag mit sofortiger Wirkung wegen "unterschiedlicher Auffassungen von Führung und Zusammenarbeit" das Unternehmen verlassen. Ein Nachfolger wird derzeit gesucht. Deller sei mit seiner Erfahrung und Glaubwürdigkeit das entscheidende Gesicht für Investoren gewesen, heißt es bei JP Morgan. Morgan Stanley verwies darauf, dass Deller über ein Jahrzehnt die Geschicke bei Knorr-Bremse gelenkt habe.

Bis ein Nachfolger gefunden ist, übernehmen die drei verbliebenen Vorstände Ralph Heuwing (Finanzen), Peter Laier und Jürgen Wilder gemeinschaftlich die Führung, teilte das Unternehmen mit. An der Unternehmensstrategie soll sich nichts ändern, beteuerte eine Sprecherin.

Deller zunehmend angeeckt


Knorr-Bremse nannte keine konkreten Gründe für den Abgang von Deller. In Konzernkreisen hieß es, mit dem Börsengang im Herbst 2018 habe sich das Unternehmen konsequent auf den Kapitalmarkt ausgerichtet. Knorr-Bremse verfüge mit dem neuen Aufsichtsratschef und früheren Daimler-Manager Klaus Mangold und den Vorständen Heuwing, Laier und Wilder inzwischen auch über eine sehr kapitalmarkterfahrene Führung. Der 57-Jährige Deller sei in diesem Umfeld zunehmend angeeckt. Von einem "tiefen Zerwürfnis" war die Rede.

Bruch mit dem Patriarchen


Am Ende sorgten die Spannungen wohl auch für einen endgültigen Bruch mit dem Milliardär Heinz Hermann Thiele, dem das Unternehmen noch immer mehrheitlich gehört. Der 78-jährige Thiele ist seit drei Jahren Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats und nach wie vor im Unternehmen präsent. Das hat es für die jeweiligen Vorstands-chefs nicht immer leicht gemacht. Selbst Thieles Sohn Henrik warf entnervt das Handtuch und verzichtete darauf, als Chef das Erbe in die Zukunft zu führen. Thiele wiederum hatte Deller vor vier Jahren zum Vorstandschef ernannt. Aufsichtsratschef Mangold lobte Deller jetzt für "außerordentlich erfolgreiche Arbeit" und den "erfolgreich durchgeführten Börsengang". "Die Personalie hat nichts mit Aufstellung oder Strategie zu tun, auch nicht mit den Finanzergebnissen, sondern mit Fragen der Zusammenarbeit und mit den Veränderungen durch den Börsengang", heißt es aus dem Unternehmen.

Doch auch daran gibt es inzwischen Zweifel. Thiele soll Deller übelgenommen haben, dass er im Konkurrenzkampf mit dem Autozulieferer ZF, der zunehmend auch ins Bremsengeschäft vordringt, nicht rasch genug gegengesteuert hat.

Wohl auch um die Anleger zu beruhigen, kündigte Knorr-Bremse jetzt für das erste Jahr an der Börse eine Dividende von 1,75 Euro je Aktie an. Der Nettogewinn stieg 2018 um sieben Prozent auf 629,4 Millionen Euro. Die Dividende entspreche einer Ausschüttungsquote von 45 Prozent. Mittelfristig sollen hier 40 bis 50 Prozent angestrebt werden.