BÖRSE ONLINE: Der Bitcoin-Kurs ist am vergangenen Mittwoch unter die Marke von 7.000 US-Dollar gefallen. Was steckt dahinter?


Mark Valek: In den vergangenen Wochen gab es einige negative Nachrichten, welche rückblickend als Erklärung für die negative Marktbewegung herhalten mussten. Es ist aber sinnvoller, sich das größere Bild vor Augen zu führen. Kryptowährungen haben 2017 einen unglaublichen Hype mit fabelhaften Kursentwicklungen erlebt. In diesem Jahr befinden sie sich eindeutig in einem Bärenmarkt und langsam beginnt die Katerstimmung erst richtig einzusetzen. Die extreme Euphorie die Ende des vergangenen Jahres herrschte, wird nun wieder abgebaut und schlägt zunehmend in Pessimismus um. Negativen Nachrichten wird weit mehr Aufmerksamkeit geschenkt als positiven. Diese Übertreibungen sind an den Märkten immer wieder zu beobachten, so auch bei Bitcoin.

Berichten zufolge will Goldman Sachs Pläne für einen Handelsdesk für Kryptowährungen fallenlassen. Was würde das für Cyber-Devisen bedeuten?


In der Tat hat die Investment Bank die vor einigen Monaten angekündigten Pläne teilweise wieder auf Eis gelegt. In erster Linie ist diese Entscheidung auf das, insbesondere in den USA noch unsichere, regulatorische Umfeld zurückzuführen. Goldman Sachs fokussiert sich zunächst auf die Errichtung einer sicheren Aufbewahrungslösung, was der natürliche erste Schritt in Richtung Crypto-Adoption ist. Ein verstärktes Engagement im Trading und der Verwaltung von Crypto-Assets kann zu einem späteren Zeitpunkt schnell aufgenommen werden.

Die Zulassung von börsengehandelten Bitcoin-Fonds in den USA lässt weiter auf sich warten. Warum?


Auch in diesem Zusammenhang sind die Regulatoren in den USA noch nicht bereit, sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen. Einerseits werden Verdachtsmomente bezüglich Manipulationen am Krypto Markt genannt, andererseits muss, um einen ETF sinnvoll auszugestalten, auch eine sehr hohe Liquidität an den Börsen vorhanden sein. Es ist aber anzunehmen, dass mit der zunehmenden Aufnahme von Bitcoin an regulierten Börsen die Scheu der Regulatoren vor einer Zulassung eines ETFs abnehmen wird.

Vom Rekordhoch von Mitte Dezember vergangenen Jahres bei rund 20.000 Dollar hat der Kurs zeitweise mehr als die Hälfte abgegeben. Der Kurs schien sich in den vergangenen Monaten stabilisiert zu haben. Ist die Korrektur vorbei?


Charttechnisch gesehen sieht es noch nicht so aus. Auch das Faktum, dass die anderen Kryptowährungen stärker verlieren als Bitcoin ist eine Bestätigung des Bärenmarktes, wenngleich diese Bereinigung durchaus gesund ist. Viele der Altcoin-Projekte sind zu einer Zeit der absoluten Euphorie gestartet worden und wurden von den Investoren nicht fundamental auf ihr Konzept bzw. die wirtschaftliche Nachhaltigkeit geprüft. Einige dieser Projekte waren von Beginn an zum Scheitern verurteilt. Der Markt nimmt nun die nötige Selektion vor. Wir erwarten hier noch eine deutliche Konsolidierung im Rahmen der aktuellen Ausnüchterungsphase. Bitcoin wird aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch beim nächsten Bullenmarkt eine der führenden Kryptowährungen sein.

Der Bitcoin-Kurs ist in der laufenden Woche um mehr als zehn Prozent gefallen. Wie weit kann es jetzt noch nach unten gehen?


Um das ganz klar auszusprechen: Bitcoin kann im Wert auf null fallen. Als Tauschmittel ist es derzeit noch nicht etabliert. Es ist weit davon entfernt ein Medium für alltägliche Transaktionen zu sein. Es hat derzeit bestenfalls die Möglichkeit als alternatives, sehr volatiles Wertaufbewahrungsmittel zu dienen. Das bedeutet aktuell liegt die Macht bei spekulativen Händlern als auch jenen, die die Blockchain aufrechterhalten (Miners). Es hat sich gezeigt, dass die Mehrheit letzterer bei Preisen unter der 5000 Marke herum nicht mehr kostendeckend wirtschaften können. Das bedeutet zwar nicht, dass der Preis nicht darunter fallen kann, aber zumindest gibt es ein Preisniveau, auf dem eine gewisse Angebotselastizität herrscht. Derzeit sehen wir, wie auch in der September-Edition unseres Crypto Research Reports erläutert, aufgrund einiger Indikatoren noch Raum für weitere Korrektur. Nichts desto Trotz ist es nach wie vor eine der spannendsten Kryptowährungen, da es unangefochtene Nummer eins in Dezentralität ist und die Transaktionen auf dem Netzwerk von so gut wie von niemanden gestoppt werden können.

Kommt jetzt der oft prophezeite Crash oder ist der derzeitige Rücksetzer nur eine Korrektur - eine Gelegenheit zum Einstieg?


Booms und Busts sind Teil der Märkte. Bei den Kryptomärkten ist dies genauso nur mit höherer Volatilität und kürzeren Intervallen. Wir befinden uns nach wie vor in der Entwicklungsphase. Anders als bei bisherigen Entwicklungsprojekten, unterliegt Bitcoin einer mark-to-market Kraft, die sich rational aber auch irrational verhalten kann. Auf der einen Seite gibt dies den Entwicklern und der Community den Anreiz eine wertvolle Plattform zu schaffen, aber andererseits beeinflussen auch subjektive Kräfte den Wert des Projekts.
Langfristig gesehen, bietet dieser Zeitpunkt womöglich nicht die schlechteste Einstiegsmöglichkeit in Kryptoassets, da wir uns noch am Anfang der Adoptionskurve befinden. Ob sich nun Bitcoin oder eine andere Kryptowährung durchsetzt, ist aus derzeitiger Sicht schwer zu beurteilen. Aber einem Korb von bewährten Kryptoassets ist aus heutiger Sicht eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit zuzuschreiben, als noch vor einigen Jahren. Es empfiehlt sich grundsätzlich die Investitionssumme nicht auf einmal zu investieren, sondern über mehrere Tranchen verteilt. Somit lässt sich ein besserer Durchschnittspreis erzielen und das Timingrisiko abfedern.

Wie geht es im laufenden Jahr bei Bitcoin weiter?


Technologisch ist einiges im Fluss. Interessant wird in der Hinsicht vor allem die Implementierung des Lightning Networks, wie erfolgreich dies technisch umgesetzt wird und wie sich das Adoptionsverhalten dadurch ändert. Sollte es das einhalten was es verspricht, könnte sich dies sehr positiv auf den Kurs auswirken. Erfahrungsgemäß sind fundamentale Entwicklungen aber nicht unmittelbar die ausschlaggebenden Faktoren was die Preisbewegungen angeht. Hier sind psychologische und markttechnische Faktoren zumindest kurz bis mittelfristiger entscheidender.

Auch andere Cyberwährungen wie Ether und Eos gerieten unter Druck. Wie geht es da weiter?


Die Kurse werden sich grundsätzlich recht schwer vom gesamt Markt abkoppeln können und nur selten ein komplettes Eigenleben führen. Krypto-Plattformen wie Ethereum und Eos haben fundamental gesehen einen unterschiedlichen Ansatz als Bitcoin und sollten deswegen auch einer anderen fundamentalen Betrachtung unterliegen. Bei Ethereum kommen einige Hürden fundamentaler Natur ins Spiel, die sich nun herauskristallisiert haben und für die das Ethereum Team im Augenblick heftig im Kreuzfeuer steht. Es handelt sich hierbei um die grundsätzliche Auslegung der Smart Contract Plattform, dessen Inflexibilität und der "Gas"-Problematik. Viele Anleger haben aus diesen Gründen den Glauben an die Plattform bis auf weiteres aufgegeben. Auch hierüber berichten wir in unserer in Kürze erscheinenden Ausgabe des Crypto Research Reports. Zusätzlich verkaufen nach wie vor viele von den im letzten Winter stattgefundenen Ethereum basierten ICOs ihre Ether Tokens.
Aus fundamentaler Sicht wäre hier eine Weiterentwicklung der Protokolle wünschenswert. Wie sich die Einführung von Ether Futures auf den Kurs auswirkt bleibt ebenfalls spannend, wenn es auch aus der Plattform keinen Mehrwert im Hinblick auf ihren Nutzen liefert.

Venezuela hat vor rund einem halben Jahr die staatliche Kryptowährung "Petro" eingeführt. Aussagen zufolge wird die Währung an keiner Börse aktiv gehandelt. Was halten Sie davon?


Jede Währung basiert auf Vertrauen. Bei der dezentral organisierten Währung Bitcoin ist die transparente Konzeption mit geringer Inflationierung ein Katalysator für das Vertrauen. Es wurde schnell als spekulatives Wertaufbewahrungsmittel von Marktteilnehmern erkannt und könnte mittelfristig als Tauschmittel fungieren. Fundamental anders gelagert ist dies bei zentralen gehandhabten Blockchain Konzepten, bei welchen die Tokens von einer zentralen Instanz ausgegeben werden. Hier besteht die Möglichkeit der Inflationierung sehr einfach. Man ist im Falle des "Petros" dem schlichten Versprechen des Staates ausgesetzt, dass der Petro nicht inflationiert wird. Dies ist insofern schwierig, da Venezuela sein Währungsmonopol aufgrund von wirtschaftlichen Problemen und Machtpolitik gerade eben massiv ausgenutzt hat und eine fürchterliche Hyperinflation kreiert hat. Der Staat hat jegliches währungspolitische Vertrauen verloren. Es ist also absolut nicht glaubwürdig, dass dieser Staat nun seiner Inflationspolitik beendet, nur weil er eine neue Zahlungsmitteltechnologie verwendet. Anders wäre es, wenn der Staat auf Bitcoin, Gold oder eine externe Devise wie den US-Dollar zurückgreifen würde.