Mehr als zehn Jahre nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers ist das Insolvenzverfahren der niederländischen Tochter Lehman Brothers Treasury (LBT) abgeschlossen. Die LBT war die Emittentin der in Deutschland verkauften Lehman-Zertifikate. Einschließlich einer jetzt erfolgten finalen Abschlusszahlung von 13 Millionen Euro seien aus diesem Insolvenzverfahren insgesamt mehr als 400 Millionen Euro vorwiegend an deutsche Privatanleger geflossen, berichtet das BÖRSE-ONLINE-Schwesterblatt Euro am Sonntag unter Bezug auf die niederländischen Abwickler der Kanzlei Houthoff laut Vorabbericht (Erscheinungstag 25. Mai 2019).

Die LBT-Auszahlungsquote beträgt demnach für Anleger, die die Abschlusszahlung bekommen haben, fast 42 Prozent des vom Insolvenzverwalter festgestellten Werts der Papiere zum Zeitpunkt der Insolvenz. Hamburger Sparkasse, Frankfurter Sparkasse, Sparkasse Hannover, Dresdner Bank (heute Commerzbank), Citibank (heute Targo), hatten damals besonders viele Zertifikate verkauft.

Das US-Verfahren zur Lehman-Pleite ist demgegenüber noch nicht abgeschlossen. Infos dazu unter www.lehman-docket.com.

Nach der Pleite nun das Ende, was Anleger wissen müssen


Total verunsichert war Anlegerin Monika K. (Name bekannt). Im Januar hatte sie von ihrer Sparkasse ein für sie schwer verständliches Umtauschangebot für ihre noch im Depot befindlichen Lehman-Zertifikate bekommen. Wenig später hieß es: Kommando zurück - das Umtauschangebot gelte nicht für sie. Sie bekomme eine finale Barausschüttung gezahlt. BÖRSE ONLINE erklärt, was Sache ist:

Ist die Lehman-Abwicklung vorbei?


Ja, zumindest für Privatanleger, die noch Zertifikate der niederländischen Tochter Lehman Brothers Treasury (LBT) in ihren Depots halten. Die LBT ging 2008 infolge der spektakulären Insolvenz ihrer Mutter Lehman Brothers Holding Inc. (LBHI) ebenfalls pleite; sie war zumeist die Emittentin der in Deutschland verkauften Lehman-Zertifikate. Das Insolvenzverfahren in den USA hingegen ist noch nicht vorbei (mehr Infos unter: www.lehman-docket.com). Dort hätte man aber seine Ansprüche direkt anmelden müssen. In den Niederlanden war das nicht nötig.

Was hat es mit der finalen Barausschüttung auf die Zertifikate der LBT auf sich?


Nur sogenannte "Qualified Noteholders", also professionelle Anleger, erhielten die Möglichkeit, ihre Zertifikate in eine Austauschanleihe zu tauschen. Die Info über das Umtauschangebot haben offenbar einige deutsche Kreditinstitute fälschlicherweise auch an Privatanleger wie Monika K. verschickt. Für sie war das Angebot aber gar nicht gedacht. Wie die zuständigen Liquidatoren der LBT von der Kanzlei Houthoff in den Niederlanden der BÖRSE-­ONLINE-Redaktion mitteilten, wurden allein auf die 59 Emissionen mit deutscher Wertpapierkennnummer in bisher 14 Tranchen mehr als 400 Millionen US-Dollar ausgeschüttet. Dazu kam jetzt am 2. Mai für Privat- sowie Profi-Anleger, die sich gegen die Austauschanleihe entschieden haben, eine finale Abschlusszahlung von rund 187 Millionen US-Dollar. Davon wurden 13 Millionen US-Dollar auf deutsche Wertpapierkennnummern ausbezahlt.

Warum bekommen Profis ein Um­tauschangebot, Privatanleger eine Abschlusszahlung? Ist das ein Nachteil?


Das kann man so nicht sagen. Anders als bei Profi-Anlegern hätten die Liquidatoren den Privatanlegern weltweit ein öffentliches Umtauschangebot unterbreiten müssen - ein quasi unmögliches Unterfangen. Noch etwas kam hinzu: Das niederländische Abwicklungsverfahren hing immer am US-Verfahren. Die Ausschüttungen von dort wurden nach Auskunft von Houthoff zuletzt geringer, sodass es immer unwirtschaftlicher wurde, die Auszahlungen auf mehr als 3700 Wertpapierkennnummern in 22 Währungen zu leisten. Daher haben die Liquidatoren eine große Teilforderung von rund 10,5 Milliarden US-Dollar ihrer Gesamtforderung von gut 34,5 Milliarden US-Dollar verkauft. Der Erlös plus weitere freigewordene Gelder wurde nun ausgeschüttet. Da viele Lehman-Anleger schon bei der Pleite etwas älter waren, sei ihnen damit vermutlich besser gedient, auch weil die Abwicklung in den USA noch Jahre dauern kann. "Das Kapitel Lehman-Abwicklung in den Niederlanden ist damit für Privatanleger abgeschlossen", sagt Niels Huurdeman von Houthoff.

Wie viel ihres Geldes haben Privatanleger zurückbekommen?


Die LBT-Auszahlungsquote kann sich sehen lassen: Sie beträgt für die Anleger, die die Abschlusszahlung bekommen haben, fast 42 Prozent des vom Insolvenzverwalter festgestellten Werts der jeweiligen Papiere zum Zeitpunkt der Insolvenz. Für jede einzelne Wertpapierkennnummer wurde damals eine eigene Bewertung vorgenommen. Wer auch in den USA Ansprüche angemeldet hatte, hat noch mehr bekommen. "Im Nachhinein sehr ärgerlich, wenn man das nicht getan hat", sagt Anwalt Matthias Schröder von LSS Rechtsanwälte.

Stimmte das Schlagwort "wertlose Lehman-Zertifikate" überhaupt?


Nein, davon konnte schon länger nicht die Rede sein, wie BÖRSE ONLINE mehrfach berichtet hat. Im Gegenteil: Mancher Anleger könnte damit inzwischen sogar im Plus stehen. Aber nur unter mehreren Bedingungen: Die Papiere hatten einen vergleichsweise hohen Wert zum Insolvenztermin, der Geschädigte hielt sie immer noch, hatte seine Forderungen auch in den USA angemeldet und wurde seinerzeit von seiner Bank, die ihm die Papiere verkauft hatte, ordentlich entschädigt. "Passabel aus heutiger Sicht waren mindestens 50 Prozent des Kapitaleinsatzes oder besser mehr", sagt Schröder.

Welche Lehre lässt sich aus Lehman für künftige Bankpleiten ziehen?


"Hartnäckig bleiben und seine Forderungen im Insolvenzverfahren anmelden!", rät Schröder. "Wenn Hedgefonds Forderungen aufkaufen wollen, ist das oft ein gutes Signal dafür, dass die Forderungen mehr wert sein könnten, als man zunächst denkt."