Eigentlich sollte 2022 das Jahr des Comebacks nach der Pandemie sein: "Wir sind sehr sicher, dass der Luftverkehr in diesem Jahr einen starken Aufschwung erleben wird", sagte Lufthansa-Chef Carsten Spohr bei der Präsentation des Geschäftsberichts der Airline. Die Anzahl der Buchungen für die Oster- und Sommerferienzeit hätten nahezu das Niveau von 2019 erreicht. Zu einigen Zielen hat sich die Zahl der Buchungen sogar verdreifacht, berichtete Spohr. Doch auch die Airlines-Industrie wird überschattet vom Krieg in der Ukraine.
Neben der Sorge um die Menschen im Krisengebiet geht es um das Geschäft und wie so oft bei den Fluglinien um die Kosten: Die meisten europäischen Länder und Russland haben gegenseitig die Lufträume für Airlines der anderen Seite gesperrt. Das verursacht erhebliche Probleme und treibt die Kosten weiter in die Höhe. Die kürzeste Verbindung zwischen Asien und Europa ist via Russland. Im vergangenen Jahr durchquerten laut "Wall Street Journal" knapp 195.000 Flüge den russischen Luftraum. 2019, vor der Pandemie, waren es mehr als 300.000. Vor allem China und Japan sind wichtige Destinationen für zahlungskräftige Geschäftskunden. Russland wiederum kassiert für die Überflugrechte Gebühren.
Umwege verlängern die Flugzeit und treiben die Spritkosten nach oben. Das ist besonders jetzt schmerzhaft, weil die Preise für Flugbenzin mit dem Ölpreis drastisch gestiegen sind. Laut Daten des Branchenverbands IATA hat sich ein Barrel Kerosin innerhalb eines Monats um mehr als fünf Prozent verteuert, binnen eines Jahres sogar um fast 60 Prozent. Das trifft jeden Flugkilometer, bei jeder Airline. Über Absicherungen können die Unternehmen Preissteigerungen zwar abfedern, das aber nur zeitlich begrenzt.
Nicht mehr wettbewerbsfähig
Besonders betroffen ist aufgrund der geografischen Lage, aber auch der strategischen Ausrichtung Finnair. Die finnische Fluggesellschaft konnte vom Drehkreuz Helsinki aus eine schnelle Verbindung zu Zielen wie Hongkong und Shanghai anbieten. Jetzt durchkreuzt der Krieg das Geschäftsmodell: Aufgrund der längeren Flugzeiten sei der Betrieb der meisten Passagier- und Frachtflüge nach Asien wirtschaftlich nicht nachhaltig oder wettbewerbsfähig, warnte Finnair und zog seine Jahresprognose zurück. Die Aktie verlor als Reaktion allein am Montag mehr als 20 Prozent an Wert.
Um mehr als zehn Prozent innerhalb von zwei Tagen sackte der Börsenwert der Wizz Air ab. Der Billigflieger ist besonders stark von der Krisenregion abhängig. Wizz Air fliegt sechs ukrainische Flughäfen an, darunter die Hauptstadt Kiew. 9,5 Prozent der Kapazitäten hingen an Russland und der Ukraine, haben die Analysten von Raymond James errechnet. Zum Vergleich: Bei Ryanair seien es lediglich 2,4 Prozent, bei der Lufthansa 1,5 Prozent, bei Air France- KLM 0,8 Prozent. Die Lufthansa kündigte bereits an, den russischen Luftraum vorerst zu meiden. Flüge nach China, Japan und Südkorea werden südlich an Russland vorbeiziehen. Das sollte den wirtschaftlichen Schaden für die Airline in Grenzen halten.
Die Einschränkungen im Luftverkehr strapazieren die noch immer von der Pandemie geschwächten Lieferketten. Erwartet wird, dass die Preise für Luftfracht erneut steigen und die Kosten etwa für in Asien produzierende Konsumgüterhersteller verteuern. Zuletzt hatte etwa der Sportartikelhersteller Puma gewarnt, dass zu Beginn des Jahres Covid-19 immer noch die Lieferkette belastet habe.
Engpässe bei Autos
Nicht nur in der für Störungen besonders sensiblen Luftfahrt, auch in anderen Branchen werden die Auswirkungen der Krieges für deutsche Unternehmen inzwischen klarer sichtbar. Kritisch ist der Blick der Börse vor allem auf die Automobilindustrie, deren Lieferketten besonders komplex sind.
Die Analysten der Credit Suisse sehen vor allem zwei potenzielle Engpässe: Russland als großer Lieferant von Palladium sei wichtig für die Herstellung von Abgaskatalysatoren. Die Ukraine sei als Produzent von Neongas wichtig, das bei der Fertigung von Computerchips gebraucht wird. Auch bei eher unspektakulären Komponenten gibt es Probleme. Volkswagen musste die Produktion in seinen Werken in Zwickau und Dresden vorübergehend stoppen, weil Kabelsätze, die in der Ukraine gefertigt werden, nicht geliefert werden konnten.
INVESTOR-INFO
Lufthansa
Vorsichtig optimistisch
Im zweiten Jahr der Pandemie hat die Lufthansa den Verlust deutlich verringert: 2021 schrumpfte das operative Minus auf 2,3 Milliarden Euro nach 5,5 Milliarden Euro im Vorjahr. Eine konkrete Prognose für dieses Jahr gibt es noch nicht, der Konzern stellt aber eine weitere Verbesserung in Aussicht. Laut Bloomberg hat die Lufthansa 63 Prozent des Spritbedarfs für 2022 zu einem Preis von 74 Dollar je Barrel abgesichert. Die Aktie ist aktuell eine Halteposition.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 7,50 Euro
Stoppkurs: 4,90 Euro
Ryanair
Billiggewinner
Der Krieg in der Ukraine erschwert den Neustart der Airline-Industrie nach der Pandemie. Treibstoff ist bei Ryanair der größte Kostenblock. Der Bedarf für das bis März 2023 laufende Geschäftsjahr ist zu etwa Dreiviertel abgesichert. Trotzdem schlagen Preissteigerungen mit Verzögerung durch. Der irische Billigflieger ist dank schlanker Strukturen und solider Bilanz vergleichsweise gut gerüstet, um auch diese Krise zu überstehen. Anleger sollten darum investiert bleiben.
Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 17,00 Euro
Stoppkurs: 10,90 Euro
Volkswagen
Wendepunkt
Weltweit hat Volkswagen im vergangenen Jahr knapp 8,9 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert. Das geht nur mit einer komplexen Logistik, die in Sondersituationen wie jetzt in der Ukraine anfällig sein kann. Anleger sollten die wirkliche Investmentstory nicht aus den Augen verlieren: Kurzfristig bringt der Börsengang von Porsche Kursfantasie, auf längere Sicht der Wandel zum Elektroantrieb. Den Geschäftsbericht 2021 und den Ausblick auf das neue Jahr will der Konzern am 15. März präsentieren. Die Aktie ist niedrig bewertet.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 230,00 Euro
Stoppkurs: 130,00 Euro