Fakt ist: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine derart starke Rally nicht einfach so und abrupt endet, sondern oft in Form eines Doppeltops. Es kommt zu einem Hoch, dann zu einer Korrektur, dann zu einem erneuten Hoch, bevor es endgültig abwärts geht. Doch so weit sind wir noch nicht. Stand jetzt kam es noch nicht mal zur ersten Korrektur.
Jedenfalls muss es schon einen triftigen Grund für eine Umkehr an der Börse geben. Argumente wie "der Markt ist überkauft" reichen nicht. Ebenso wenig die Verweise darauf, dass technische Indikatoren wie der RSI oder das Verhältnis von Bullen zu Bären exzessiv seien. Das sind zwar korrekte Beobachtungen, allerdings ist es so, dass sich Exzesse über viele Monate einfach fortsetzen können.
Es muss also schon gute fundamentale Gründe geben, dass dieser Rally irgendwann die Luft ausgeht. Und tatsächlich gibt es zwei Aspekte, die Aktienanleger im Auge behalten müssen. Da sind zum einen die Spannungen rund um das Thema Welthandel. Zum anderen ist das Risiko doch recht hoch, dass die Inflation deutlicher zulegt als bislang erwartet.
Punkt 1, der Welthandel, könnte dann zu einem Problem werden, wenn die USA tatsächlich drastische Maßnahmen vor allem gegen die Volksrepublik China durchsetzen. Der wieder deutlich wachsende Exportüberschuss Chinas ist US-Präsident Donald Trump ein Dorn im Auge. Gefragt, ob er denn mit Zöllen auf Stahl und Aluminium einen Handelskrieg riskieren wolle, antwortete Trump: "Ich glaube nicht, ich hoffe nicht. Aber wenn es passiert, dann passiert es." Waschmaschinen und Solaranlagen hat er ja gerade schon mit Zöllen belegt!
Sollte es zu weiteren und massiveren Handelssanktionen kommen, hätte dies vermutlich weitreichende Konsequenzen. Für China selbst, das wieder stärker vom Export abhängig ist, weil die Regierung in Peking den zumindest in einigen Branchen heiß gelaufenen Binnenmarkt abkühlen muss. Darüber hinaus wären auch die Nachbarstaaten betroffen, da man in Sachen Handel stark mit China verwoben ist, sowie natürlich auch die Rohstoffzulieferer Australien, Kanada, Brasilien und Südafrika.
Ob das nun tatsächlich in einen Handelskrieg ausartet, ist höchst unklar. Man sollte die Sache jedenfalls im Auge behalten. Mindestens genauso entscheidend für die künftige Entwicklung der Aktienmärkte ist indes das Inflationsrisiko. Nach der jüngsten Fondsmanager-Umfrage durch Merrill Lynch ist dies die Hauptsorge der Geldprofis: Inflation und ein Crash am Anleihemarkt. Mit entsprechenden Konsequenzen für Aktien.
Wichtig ist in diesem Kontext der Ölpreis. Oder besser gesagt: dessen Anstieg. So zeigt die Historie, dass, wann auch immer sich der Ölpreis innerhalb von zwölf Monaten verdoppelt hat, es zu einer Rezession kam und zu einem Abschwung am Aktienmarkt. Aktuell müsste der Ölpreis bis Juli auf 85 bis 90 Dollar steigen, um einen solchen Verdopplungsschock zu bewirken. Denkbar? Byron Wien, ein alter Börsenhaudegen, findet ja. Er hat dieses Szenario in seine Liste der "Zehn Überraschungen des Jahres" aufgenommen. Höhere Nachfrage und schrumpfende Vorräte seien der simple Grund. Also auch hier: Augen auf!
Martin Blümel ist leitender Redakteur bei BÖRSE ONLINE und Autor des Börsenblogs www.bluemelstaunt.com