Schlechte Nachricht für Mitarbeiter von Kohlekraftwerken: Statt sie in den Vorruhestand zu verabschieden, stoppt ihr Arbeitgeber RWE nun die verfrühte Rente. "RWE Power wird ihre Personalplanung in Kraftwerken und Tagebauen an die neue Einsatzbereitschaft anpassen. Das umfasst mehrere hundert Stellen", so der Konzern laut "Rheinische Post". Auch neue Arbeitskräfte sollen die Personaldecke aufstocken.

Bedanken können sich die Mitarbeiter dafür bei Wladimir Putin. Dessen Angriffskrieg auf die Ukraine und daraus resultierende Sanktionen ließen die Preise für Öl und Gas stark ansteigen. Zuletzt drosselte Russland zudem die gelieferten Mengen stark. Entsprechend müssen nun alternative Energiequellen her, um vor allem die gasabhängige Industrie von Russlands Lieferungen unabhängiger zu machen und die Speicher für die Heizperiode im Winter zu füllen. Die als Auslaufmodelle angesehenen Kohlekraftwerke erleben nun eine Renaissance.

Das sei "bitter, aber notwendig", um den Gasverbrauch zu senken, so Wirtschaftsminister Robert Habeck. Das Comeback der schmutzigen Energie könnte das Geschäft bei Kohlekraftwerksbetreibern wie RWE unerwartet ankurbeln. Bis zum Ausbruch des Kriegs lag der Fokus der Branche auf regenerativen Energieformen wie Wind und Solar. Doch die hohen Preise, vor allem für Gas, schürten die Suche nach schnellen Alternativen.

Im Quartalsbericht verwies RWE bereits auf die Möglichkeiten, Kohlewerke zu reaktivieren oder länger als geplant am Netz zu halten. Technisch machbar sei dies für Kapazitäten von insgesamt 3,5 Gigawatt. An der strategischen Ausrichtung des Unternehmens werde eine mögliche vorübergehende Rückkehr zur Kohle aber nichts ändern.

Langfristig mit Erneuerbaren

RWE will den Ausbau erneuerbarer Energien vorantreiben und spätestens 2040 klimaneutral sein. Folglich ging der Anteil von Kohlestrom und anderen Kohleprodukten am Konzernumsatz von 20 Prozent im ersten Quartal 2021 auf nunmehr 13 Prozent zurück. Von Januar bis März erzielten die Essener einen Umsatz von fast acht Milliarden Euro.

Wichtigste Umsatztreiber bei RWE sind der Energiehandel und Umsätze im Bereich "Offshore Wind". Hier setzte das Unternehmen im Auftaktquartal mehr als dreimal so viel um wie noch ein Jahr zuvor. Auch sonst steht die Energieform Wind im Fokus: Erst kürzlich brachten die Essener einen großen Onshore-Windpark in Schweden ans Netz.

Längerfristiges Ziel von RWE für 2030: rund 50 Gigawatt an installierter Nettokapazität in Bereichen wie Windkraft, Solarenergie, flexibler Stromerzeugung und Wasserstoff.

Doppelte Chance

Für RWE und seine Aktionäre ergibt sich durch ein mögliches Comeback der Kohlekraft eine spannende Situation. An der langfristigen Wende der deutschen Klimapolitik und der Ausrichtung des Unternehmens hin zu erneuerbaren Energien bestehen keine Zweifel. Kurzfristig bieten sich durch die kriegsbedingte Sondersituation Möglichkeiten für einen Konzernbereich, dessen Bedeutung in den letzten Jahren bewusst sank. Von verfrühter Rente sind Kraftwerke und Mitarbeiter wohl noch ein Stück entfernt.

Perspektive: Fantasie durch die Kohle, zentral bleibt aber der Ausbau erneuerbarer Energien. RWE ist hier gut positioniert.

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