Auch der Versorger aus Essen beliefert Deutschlands LNG-Terminals. Die sprudelnden Gewinne im Energiehandel fließen in Kapazitäten für grünen Strom. Von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Es ist ein wichtiger Schritt für Deutschlands Gasversorgung, falls Lieferungen aus Russland im Winter deutlich reduziert oder sogar unterbrochen werden sollten. RWE wird mit den beiden Versorgern Uniper und EnBW/VNG die Belieferung der Flüssiggas-Terminals in Brunsbüttel und Wilhelmshaven, die zum Jahreswechsel in Betrieb gehen sollen, bis März 2024 aus Tankern übernehmen.
Angelandet werden die LNG-Tanker an Spezialschiffe, die als schwimmende Terminals dienen. Sie verfügen über Anlagen zur Umwandlung des LNG in den Gaszustand, um es für den Transport über Land in ein System von Pipelines einzuspeisen. Die Infrastruktur dafür soll zum Jahresende stehen. RWE hat im Konsortium mit dem niederländischen Pipelinebetreiber Gasunie, der das Geschäft langfristig voraussichtlich allein betreiben wird, zwei schwimmende Terminals gemietet. Die beiden in Wilhelmshaven und Brunsbüttel stationierten sollen vom ersten Tag an ausgelastet sein. Sie können zusammen 12,5 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr liefern. Zum Vergleich: Bei Nord Stream 1 sind es 55 Milliarden. Deutschlands jährlicher Bedarf liegt bei 95 Milliarden Kubikmetern.
Bis zur Unabhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland ist es noch weit und wird dauern. Für den Winter ist nach heutigem Stand mit einem weiteren Anstieg der Strom- und Gaspreise zu rechnen. Versorgern wie RWE, die auch im Energiehandel aktiv sind, kommt das zugute. Voraussichtlich auch um nicht in ein falsches Licht zu geraten, verzichtet RWE auf die Mittel aus der Gasumlage, die ab Oktober gilt.
Zudem investiert der Konzern seine Überschüsse aus den hohen Energiepreisen in den Ausbau der Kapazitäten für grünen Strom aus Wind, Sonne und mittelfristig auch Wasserstoff. So sollen im laufenden Jahr fünf Milliarden Euro in diesen Bereich fließen, zwei Milliarden davon wurden bereits ausgegeben. Die Summe ist 30 Prozent höher als ursprünglich geplant. Wind- und Solaranlagen mit 1,2 Milliarden Gigawatt Kapazität gingen während der ersten sechs Monate ans Netz, im Bau sind weitere 4,8 Milliarden Gigawatt, teilte Chef Markus Krebber bei der Vorlage der Halbjahresbilanz mit.
Prognose deutlich erhöht
Dank der hohen Stromproduktion und der guten Ergebnisse im Energiehandel konnte RWE seine Gewinnprognose für das Gesamtjahr noch vor Präsentation der Bilanz um 1,5 Milliarden auf fünf bis 5,5 Milliarden Euro operativen Gewinn (Ebitda) erhöhen. Im ersten Halbjahr verdiente der Versorger in seinem Kerngeschäft Strom aus Sonne, Wind und Gaskraftwerken sowie Energiehandel operativ 2,4 Milliarden Euro, doppelt so viel wie im Vorjahr. Mit dem Strom aus Kohle und Atomenergie waren es 2,9 Milliarden Euro.
Von russischen Gasproduzenten vertraglich zugesichert sind bis 2023 Kapazitäten für 15 Terawattstunden Energie. Derzeit erhalte man nur ein Fünftel der vereinbarten Mengen, teilte RWE mit. Die gute Nachricht für Anleger: Das Risiko bis hin zum vollständigen Ausfall der Lieferungen hat RWE über Absicherungsgeschäfte vollständig abgedeckt.
Aufwärts: Die deutlich erhöhte Gewinnprognose und die Aussichten im Stromhandel und bei grünem Strom schieben die Aktie an.