Nach dem im zweiten Halbjahr 2014 erlittenen scharfen Einbruch hat sich der Ölpreis im ersten Halbjahr 2015 wieder etwas erholt. Das gilt auch für viele Ölaktien. Dennoch werden die Sektor-Vertreter längst nicht mehr als eine so sichere Bank wie früher wahrgenommen. Preiseinbrüche beim Öl wie am Montag verstärken diesen Eindruck noch. Die Meinungen darüber sind geteilt, ob die alten Preishochs wieder erklommen werden können oder ob dauerhaft niedrigere Preise zu erwarten sind.

Die Optimisten klammern sich dabei daran, dass Öl als Energiequelle schon öfters schwierige Zeiten vorhergesagt wurde, letztlich haben sich die Preise aber immer wieder von Einbrüchen erholt. Auch ist Öl bis heute nicht als wichtigste Energiequelle abgelöst worden. Das dürfte zunächst auch so bleiben, doch erneuerbare Energien gewinnen Marktanteile und Schieferöl und -gas sowie mehr Öl aus dem Iran sorgen für zudem für eine Angebotsflut. Eine nicht zu unterschätzende Bedrohung stellt zudem vor allem der Klimawandel dar. So könnten neue Klimarichtlinien dafür sorgen, dass manche Ölreserven niemals genutzt werden dürfen. Ölkonzerne müssten dann Abschreibungen auf die in der Bilanz ausgewiesenen Öl- und Gasvorkommen vornehmen. Die Citigroup befürchtet, dass bei 37 großen Ölkonzernen bis zu 40 Prozent der Investitionen jüngeren Datums im Volumen von 1,4 Billionen Dollar in Projekte geflossen sind, die bei einem Ölpreis unter 75 Dollar kaum rentabel sind.

Aus Sicht der Citigroup ist das Geld der Aktionäre am besten bei Unternehmen aufgehoben, die sich schnell auf eine Welt einstellen, in welcher der Ölpreis zwischen 65 und 75 Dollar pro Barrel schwankt. Wichtig sei auch, die Eigenkapitalrenditen zu steigern, denn nur so sei es möglich, die Dividendenzahlungen dauerhaft zu sichern. Bei fünf ausgewählten Ölaktien sehen die Citigroup-Analysten Kurspotenzial von bis zu 35 Prozent.



Citigroup Ölaktien-Favorit Nummer eins: Chevron Corp. (WKN: 852552, 94,77 Dollar, 85,51 Euro, alle nachfolgende Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 06. Juni)



Eine der schwächsten Entwicklungen in den vergangenen Jahren innerhalb des Ölsektors hat die Aktie von Chevron genommen. Vor einem Jahr notierte der im Dow Jones Industrial Average enthaltene Titel noch bei 134,85 Dollar. Die Notiz hat somit fast 30 Prozent an Wert verloren und ein intakter mittelfristiger Abwärtstrend lässt zunächst keine Besserung erkennen. Unternehmensspezifisch erklären lässt sich das unter anderem mit aus dem Ruder gelaufenen Kosten beim Gorgon-Erdgasprojekt in Australien und Problemen bei der Verankerung einer Plattform von Gulf Oil.

Mit Blick auf die weitere Entwicklung des Aktienkurses ist zu beachten, dass Chevron stärker vom Upstream-Geschäft und damit von höheren Ölpreisen abhängt als die meisten anderen integrierten Ölunternehmen. Die Citigroup stuft die Aktie des zweitgrößten integrierten US-Öl- und Gasunternehmen derzeit zwar nur mit neutral ein. Das Kursziel beträgt aber 115 Dollar, woraus sich ein Kurspotenzial von 21,3 Prozent ergibt. Hinzu kommt auch noch eine vom Analystenkonsens geschätzte Dividendenrendite von 4,5 Prozent. Auch die Analysten der Societe Generale nennen als Kursziel übrigens 115 Dollar.

Wie das Bankhaus Sarasin herausstreicht, weist die Gesellschaft in der Branche mit das attraktivste Produktionssteigerungspotenzial auf. Bis 2017 scheine ein beneidenswertes Volumenwachstum von 20 Prozent möglich. Ab 2017 dürfte sich dann der Cashflow beschleunigen. Bei einem Brent-Ölpreis von unter 70 Dollar je Barrel könnten Capex- und Dividendenausgaben aber vermutlich nicht aus dem operativen Cashflow gedeckt werden und man benötige vermutlich weiteres Fremdkapital. Auch die Citigroup rechnet bis 2017 mit Wachstum, doch man befürchtet, dass sich das Unternehmen nur langsam auf das veränderte Umfeld einstellt. Die Kostenkurve wird als hoch bezeichnet.

Im Schnitt gegen Analysten davon aus, dass der Gewinn im laufenden Jahr von 10,14 Dollar auf 3,91 Dollar sinken (im ersten Quartal wurden wegen des rapiden Ölpreisverfalls zwei Fünftel weniger verdient) und sich 2016 auf 6,25 Dollar erholen wird. Aber auch auf dieser Basis scheint die Aktie noch nicht sonderlich günstig zu sein. Der Analystenkonsens veranschlagt das Kursziel dennoch auf 112,77 Dollar.



Citigroup Ölaktien-Favorit Nummer zwei: Royal Dutch Shell (WKN: A0D94M, 18,12 britische Pfund, 25,39 Euro)



Auch der britisch-niederländische Ölkonzern Royal Dutch Shell hat sich spürbar vom Vorjahreshoch von 31,05 Euro entfernt. Doch bei genauer Hinsicht zeigt sich, dass der Titel nicht erst seit gestern enttäuscht. Die Notiz bewegt sich auf einem bereits im Jahr 1997 erreichten Niveau, so dass hier für Aktionäre außer der vereinnahmten Dividende nichts zu holen war. Aber immerhin ist die Ausschüttung ansehnlich. Vom Analystenkonsens wird die erwartete Dividendenrendite auf 6,64 Prozent taxiert. Das geschätzte KGV für 2015 bewegt sich bei als neutral einzustufenden 13,8.

Neutral lautet auch die Einschätzung der Royal Dutch Shell-Aktie durch die Citigroup. Das Kursziel beträgt 21,50 Pfund, somit ergibt sich ein Kurspotenzial von fast 19 Prozent. Hinzu kommt die erwähnte Dividendenrendite. Die Deutsche Bank hält übrigens sogar Kurse von 24,25 Pfund für angemessen. Die dortigen Analysten begründen ihre Kaufempfehlung mit der aus ihrer Sicht günstigen Bewertung der Aktie und das vorhandene Restrukturierungspotenzial, das auch dank dem Kauf der BG Group beträchtlich sei. Auch die Citigroup kann der Übernahme von BG positives abgewinnen, allerdings bleibe abzuwarten, ob es bei der Umsetzung des Vorhabens noch zu Verwässerungen bei den Planungen komme.

Erwähnenswert ist abgesehen davon, dass die US-Regierung dem Energiekonzern trotz der Proteste von Umweltschützern jüngst unter Auflagen die Erlaubnis zu Öl- und Gasbohrungen in der Arktis erteilt hat. Vom Unternehmen wird das als ein wichtiger Meilenstein bezeichnet. Was die Gewinne angeht, ist in diesem Jahr mit einem deutlichen Gewinnrückgang zu rechnen, 2016 dürfte sich das Ergebnis dann aber prozentual wieder deutlich erholen. Zumindest sehen das die derzeitigen Analystenschätzungen vor. Das KGV würde sich dadurch nennenswert ermäßigen.

Charttechnisch gesehen bewegt sich der Titel aber in einem intakten mittelfristigen Abwärtstrend und wann sich eine Trendwende nach oben einstellen wird, lässt sich derzeit noch nicht seriös abschätzen. Wieder etwas höhere Kurse scheinen dann möglich, falls sich Befürchtungen nicht bewahrheiten sollten, wonach sich die Cash-Flow-Schätzungen des Analysten-Konsens als zu hoch erweisen könnten.



Citigroup Ölaktien-Favorit Nummer drei: BG Group (WKN: 931283, 10,61 britische Pfund, 15,159 Euro)



Auch die in den Jahren zuvor so gut gelaufene Aktie der BG Group hat sich seit Mitte 2008 als Langweiler-Titel erwiesen. Der Wert des drittgrößten britischen Öl- und Gaskonzerns schwankt seitdem zwar stark, Geld war seitdem über Kursgewinne aber nicht mehr zu verdienen. Operativ ist es im ersten Quartal 2015 ebenfalls nicht gerade gut gelaufen. Aufgrund des Preisrückgangs für Kohlenwasserstoffe sind die Umsätze um 21 Prozent gesunken. Doch immerhin sollte die Gesellschaft im zweiten Quartal von Volumensteigerungen und einer verbesserten Preisgestaltung profitiert haben.

Dominiert wird bei der BG Group derzeit aber ohnehin alles von der Übernahme durch Royal Dutch Shell. Seit Anfang April 2015 liegt pro BG Group-Aktie ein freundliches Übernahmeangebot für bis zu 13,50 Pfund auf dem Tisch. Der Deal hat ein Volumen von rund 70 Milliarden Dollar und würde Shell zum weltweit dominanten Anbieter auf dem stark wachsenden Markt für Flüssigerdgas machen. Für das Projekt wurde zwar gerade die Erlaubnis in den USA erteilt, in anderen Ländern wie China, Australien und Brasilien könnten die Regulierungsbehörden dem Vorhaben aber kritischer gegenüberstehen. Die Citigroup geht aber davon aus, dass der geplante Zusammenschluss letztlich über die Bühne gehen wird.

Ein herber Dämpfer wäre es allerdings, wenn die kasachische Regierung tatsächlich von einem im Falle eines Eigentümerwechsels möglichen Vorkaufsrechts für das Karachaganak-Gas-Feld Gebrauch mache sollte. Denn für BG ist das ein sehr wichtiges Asset, das 2014 fast zehn Prozent der Erlöse beisteuerte.

Die Citigroup kombiniert ihre Kaufempfehlung für die Aktie das Kursziel auf 13,40 Pfund und damit auf Höhe des gebotenen Übernahmepreises. Das lässt derzeit 26,3 Prozent Luft nach oben. Der Abschlag zum gebotenen Kaufpreis hat neben der noch ausstehenden Genehmigung auch mit Sorgen über die Folgen des Korruptionsskandals bei Petrobras in Brasilien zu tun, weil das auch die dortigen Pre-Salt-Felder der BG Group negativ beeinflussen könnte. Das geschätzte KGV ist mit 36,6 hoch, spielt aktuell aber eine untergeordnete Rolle. Die geschätzte Dividendenrendite beträgt 1,78 Prozent.



Citigroup Ölaktien-Favorit Nummer vier: Total S.A. (WKN: 850727, 42,90 Euro)



Attraktiver ist die Dividendenrendite mit geschätzten 5,57 Prozent bei Total. Doch eine ansehnliche Ausschüttung darf hier nicht darüber hinwegtäuschen, dass der französische Energiekonzern für Langfrist-Investoren ebenfalls kein sonderlich attraktives Investment gewesen ist. Die Notiz des mit einem geschätzten KGV von 13,5 ausgestatteten Titels pendelt derzeit um ein Niveau, das bereits im Jahr 2000 erreicht worden war.

Höherer Kurse waren zuletzt auch deshalb nicht drin, weil wie bei anderen Ölfirmen die Zahlen alles andere als berauschend ausgefallen sind. So wurde im ersten Quartal im Jahresvergleich ein Fünftel weniger verdient, wobei ohne einen massiven Anstieg der Förderung der Gewinnrückgang noch drastischer ausgefallen wäre. Die Markterwartungen wurden trotz eines in den ersten drei Monaten um 20 Prozent auf 2,66 Milliarden Euro gesunkenen Gewinns aber übertroffen.

Die Analysten der Citigroup gehen trotz der momentan dürftigen Ergebnisse aber von einer Kurserholung auf 50 Euro aus. Das wären rund 16,6 Prozent mehr als aktuell. Die Kaufempfehlung für den im französischen Leitindex CAC 40 vertretenen Titels wird auch mit der Annahme begründet, das Unternehmen verfüge über Möglichkeit, sich selbst wieder auf die Beine zu helfen. So werde im Konzern unter neuer Führung gerade ein tiefgreifender kultureller Wandel vollzogen. Als Folge davon dürfte der freie Cash-Flow bis 2017 wieder über der Dividendenzahlung liegen. Die erhofften strukturellen Verbesserungen dürften aber erst nach und nach wirksam werden.

Zur neuen Strategie gehört auch ein Rückzug aus der Erschließung des Erdgasfeldes Schtokman im Nordpolarmeer, das seit zwei Jahren aus Kostengründen auf Eis liegt. Der eigene 25-Prozent-Anteil an dem Unternehmen Schtokman Development AG wurde an den russischen Gasriesen Gazprom zurückgegeben. Dagegen wird das Geschäft mit Flüssigerdgas ausgeweitet. Zu diesem Zweck lässt sich das Unternehmen eine Flotte von LNG-Tankern bauen, um gefördertes Flüssigerdgas rund um den Globus zu verschiffen.



Citigroup Ölaktien-Favorit Nummer fünf: ConocoPhillips (WKN: 575302, 59,06 Dollar, 53,40 Euro)



Trotz der etwas erholten Ölpreise hatte der Aktienkurs von ConocoPhillips keinen leichten Stand. Durch die seit Mitte 2014 erlittenen Kursverluste ist die Aktie nicht nur auf den tiefsten Stand seit Mitte 2013 gesunken. Dadurch wurde auch der langfristige Aufwärtstrend gebrochen. Insgesamt präsentiert sich dadurch das Chartbild in einer schwachen Verfassung.

Doch das passt zur jüngsten Geschäftsentwicklung. Der Gewinn im Vergleich zum Vorjahr im ersten Quartal um 87 Prozent auf 272 Millionen Dollar eingebrochen. Bereinigt um Sondereffekte verbuchte der Konzern sogar einen Nettoverlust von 222 Millionen Dollar. Die Gas- und Ölfördermenge stieg zwar und die operativen Kosten wurden verringert, doch das reichte nicht, um die niedrigeren Preise zu kompensieren.

Für das Gesamtjahr rechnen Analysten im Schnitt nur mit einem Gewinn je Aktie von 0,44 Dollar. Das ist ein erheblicher Rückgang gegenüber den im Vorjahr verdienten 5,30 Dollar. 2016 sollen es dann wieder 2,46 Dollar werden, doch auch auf dieser Basis wäre das KGV relativ hoch. Dieses Urteil gilt insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, dass Analysten in den kommenden fünf Jahren sogar mit leicht fallenden Ergebnissen je Aktie p.a. rechnen. Gewinnphantasie sieht somit anders aus.

Im Konsens veranschlagen Analysten das Kursziel dennoch auf 74,47 Dollar. Die Citigroup hält sogar 80 Dollar für gerechtfertigt. Damit ergibt sich rein theoretisch ein Kurspotenzial von gut 35 Prozent. Hinzu kommt auch noch eine Dividendenrendite von geschätzten 4,8 Prozent.

Die Citigroup hat die Aktie auch deshalb als Kauf eingestuft, weil man Gefallen findet an den vorhandenen günstigen Wachstumschancen, die sich insbesondere bei US-Schiefergas ergeben. Die Kostensenkungspläne werden als glaubwürdig und wirkungsvoll bezeichnet. Durch die Fertigstellung wichtiger Projekte werde sich bis Ende des Jahres die Fähigkeit zur Generierung von Cash deutlich verbessern.