Der Energietechnik-Konzern Siemens Energy hat heute seine Zahlen zum letzten Quartal des Geschäftsjahres vorgelegt. Obwohl der Dax-Konzern tiefer in die roten Zahlen rutschte und auch seine Dividende ausfallen lässt, schiebt sich die Aktie am Vormittag mit einem satten Plus an die Spitze der Tagesperformer im Dax. Was dahinter steckt.
Hohe Verluste bei der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa sowie Belastungen im Zusammenhang mit dem Rückzug aus Russland haben den Energietechnik-Konzern Siemens Energy im vergangenen Jahr tiefer in die roten Zahlen rutschen lassen. Daher sollen Aktionäre keine Dividende erhalten, nachdem es zuvor noch 10 Cent je Aktie gegeben hatte. Für das neue Geschäftsjahr erwartet das Management um Konzernchef Christian Bruch eine Verbesserung der Geschäftsentwicklung, auch wenn unter dem Strich nochmals ein Verlust stehen dürfte. Schwarze Zahlen sieht Bruch erst im darauffolgenden Geschäftsjahr.
Im vergangenen Geschäftsjahr (per Ende September) erhöhte sich der Verlust nach Steuern um 15,5 Prozent auf 647 Millionen Euro, wie das Unternehmen in München mitteilte. Der Umsatz legte hingegen um 1,8 Prozent auf knapp 29 Milliarden Euro zu. Auf vergleichbarer Basis, welche Währungs- und Portfolio-Effekte ausklammert, stand jedoch ein Minus von 2,5 Prozent zu Buche.
Gamesa-Integration steht im Fokus
Mehrfach hatte Siemens Energy seine Prognose für das vergangene Geschäftsjahr gesenkt. Ein großes Ärgernis ist die anhaltende Schwäche im Windkraftgeschäft. Hohe Kosten, Lieferkettenengpässe, Projektverschiebungen, Qualitätsmängel bei älteren Anlagen sowie hausgemachte Probleme mit der neuen Landturbine 5.X verhagelten Gamesa die Bilanz.
Um die seit Jahren anhaltenden Probleme endlich in den Griff zu kriegen, will Siemens Energy nun die restlichen Anteile an der in Spanien börsennotierten Tochter übernehmen, an der sie bereits zwei Drittel hält. Nach der Freigabe der spanischen Börsenaufsicht hat die bis kurz vor Weihnachten laufende Angebotsfrist begonnen. Ziel ist es, Gamesa von der Börse zu nehmen. Die Integration von Gamesa stehe "nun im Fokus", erklärte Bruch auf der Bilanzpressekonferenz. Der Manager verteidigte dabei die vier Milliarden Euro schwere Komplettübernahme. "Entweder ist man von einem Geschäft überzeugt, dann hält man 100 Prozent oder man ist nicht überzeugt, dann hält man null Prozent."
Kapitalerhöhung oder Wandelanleihe
Für die Beschaffung der restlichen bis zu zwei Milliarden Euro für die Komplett-Übernahme von Siemens Gamesa lässt sich Siemens Energy bis zu zwei Jahre Zeit. Die Brückenfinanzierung stehe noch bis November 2024 zur Verfügung. "Wir sind flexibel, wir haben Zeit", sagte Finanzvorständin Maria Ferraro. 1,15 Milliarden Euro hat Siemens Energy für die bis zu 4,05 Milliarden Euro teure Übernahme der restlichen Anteile bereits in bar bereitgestellt, 960 Millionen Euro brachte eine Pflicht-Wandelanleihe. "Ideal" wäre es, in den nächsten Monaten eine Kapitalerhöhung über bis zu 1,5 Milliarden Euro zu starten, sobald die Genehmigung der Hauptversammlung vorliege, sagte Ferraro. Denkbar sei aber auch eine weitere Wandelanleihe.
Anleger greifen trotz der roten Jahreszahlen und gestrichener Dividende kräftig bei den Aktien von Siemens Energy zu. Die Aktien steigen am späten Vormittag um 7,7 Prozent auf 15,61 Euro und sind damit Spitzenreiter im Dax. Später verkleinern sie ihre Gewinne wieder ein wenig.
Börsianer lobten insbesondere den Auftragseingang, zudem sei eine böse Überraschung beim Ausblick auf Umsatz und Margen im Jahr 2022/23 ausgeblieben. Sollte es dem Management zeitnah gelingen, die Windkraft-Tochter wieder profitabel zu machen und das Unternehmen nach dem Rückzug aus Russland anderweitig neu zu positionieren, dürfte das für weitere Kaufkurse sorgen, sagte Jürgen Molnar, Kapitalmarkt-Stratege beim Broker RoboMarkets.
Charttechnisch hat sich das Bild für die Siemens-Abspaltung zuletzt deutlich aufgehellt. Der seit Jahresanfang intakte Abwärtstrend wurde nach oben verlassen. Als nächster Widerstand wartet nun die 200-Tage-Linie bei 16 Euro.
Analysten loben Geschäfte
Analyst Philip Buller von der Berenberg Bank sprach von einem "hervorragenden Geschäftsjahresabschluss" mit den relevanten Neuigkeiten aus der Energietechnik-Sparte, nachdem es von der Windkraft-Tochter Siemens Gamesa bereits Resultate gegeben hatte. Positive Stimmen gab es vor allem zum Auftragseingang, der die Konsensschätzungen laut Buller um 24 Prozent übertroffen hat. Dies gelte vor allem für die Gamesa-Aufträge, aber auch für jene der Sparte Gas & Power.
Außerdem stand der Ausblick auf das Jahr 2023 bei Börsianern im Fokus. So soll der Umsatz nach dem Rückgang im Vorjahr 2022/23 auf vergleichbarer Basis um drei bis sieben Prozent zulegen und die Profitabilität wieder besser werden. UBS-Expertin Supriya Subramanian bezeichnete vor allem das Umsatzziel als besser als erwartet, da der Konsens auf berichteter Basis bisher nur bei drei Prozent liege.
Damit war die Reihe positiver Nachrichten aber noch nicht zu Ende. Experte Gael de-Bray von Deutsche Bank Research hob noch den freien Mittelfluss vor Steuern positiv hervor. Dieser sei im Bereich Gas & Power mit einer Milliarde Euro im Schlussquartal "sehr stark" und nahezu dreimal so hoch wie erwartet. Auf Konzernebene seien die Barmittel zum Jahresende mit 2,8 Milliarden Euro etwa eine Milliarde höher gewesen als gedacht. Die Bilanz von Siemens Energy sei daher "in einer sehr guten Verfassung", schrieb der Experte am Morgen.
Einschätzung zur Aktie von Siemens Energy
Die Tiefstkurse unter der 11-Euro-Marke dürfte der Energietechnik-Konzern hinter sich haben. Der Kursaufschwung dürfte sich jedoch kaum im Tempo der vergangenen Wochen fortsetzen. BÖRSE ONLINE hält den Wert derzeit noch auf einer Watchlist und wird über eine mögliche Kaufempfehlung zu gegebener Zeit berichten. (Mit Material von dpa-AFX und rtr)