€uro am Sonntag: Herr Bloemen, Herr Cameron, welche Firmen qualifizieren sich für Ihren Klimafonds?
Maarten Bloemen: Wir suchen nach drei unterschiedlichen Unternehmenstypen. Da sind zunächst mal die offensichtlichen Lösungsanbieter: Firmen, die bereits jetzt mehr als 50 Prozent ihrer Umsätze mit grünen oder nachhaltigen Produkten oder Dienstleistungen erzielen. Typischerweise stammen sie aus dem Sektor der erneuerbaren Energien, der Energieeffizienz, dem nachhaltigen Transport, der Forstwirtschaft sowie dem Wasser- und Abfallmanagement.
Auf solche Titel setzen auch viele Ihrer Konkurrenten.
Bloemen: Richtig. Deshalb suchen wir auch nach Unternehmen, die sich in die richtige Richtung bewegen, und deren Strategie vom klaren Willen geprägt ist, Treibhausgase zu reduzieren. Denn in diesem Punkt sind wir uns sicher: Die Energiewende ist eine Übergangsphase, die uns noch über Jahrzehnte beschäftigen wird. In die dritte Gruppe schließlich fallen Unternehmen, die widerstandsfähig gegenüber höheren CO2-Preisen sind, etwa weil sie kaum Treibhausgase verursachen oder wenig Ressourcen verbrauchen, beispielsweise Pharmafirmen.
In Ihrem Fonds findet sich unter den größten Positionen die Aktie von E.on. Der deutsche Energiekonzern wird wegen seiner Kernkraftwerksbeteiligung auch kritisch gesehen und man erwartet ihn nicht unbedingt in einem "grünen" Fonds. Warum halten Sie ihn im Portfolio?
Bloemen: Weil sich das Unternehmen stark gewandelt hat und nichts mehr mit dem klassischen Kraftwerksbetreiber von einst zu tun hat.
Craig Cameron: E.on baut zwar keine Anlagen zur regenerativen Energieerzeugung, aber der Konzern betreibt auch keine Kohlekraftwerke. Das Unternehmen baut und betreibt hauptsächlich Stromnetze. Und aus unserer Sicht ist die Weiterentwicklung der Netze für den wachsenden Anteil an erneuerbaren Energien ebenso wichtig wie der Ausbau der erneuerbaren Energien an sich. E.on bietet für uns eine gute Möglichkeit, vom Wachstum bei den Energienetzen zu profitieren. Nach unserer hauseigenen Scoring-Methode erhält der Konzern mit die höchsten Punktzahlen in den Kategorien "Lösungsanbieter" und "Unternehmen im Wandel".
E.on fällt bei Ihnen auch in die Kategorie Lösungsanbieter?
Cameron: Ja, weil solche Unternehmen auch eine wichtige Rolle bei der Energiewende spielen. Es gibt eine Reihe von Firmen, die einem bei diesem Thema nicht unmittelbar in den Sinn kommen. Jeder denkt zunächst an Namen wie Vestas oder Siemens Gamesa. Wir fragen uns, wer noch von der Energiewende profitiert und wollen so unentdeckte Werte - Value - aufspüren.
Stichwort Value. Wie wichtig ist eine günstige Bewertung bei der Auswahl von Titeln?
Bloemen: Sie ist gleichermaßen wichtig für den Erfolg. Ich will es mal so ausdrücken: Wenn Sie zwei Kreise haben - einer ist die klimabezogene Analyse, der andere Bewertung -, und Sie bringen diese Kreise zusammen, stellt die kleine Schnittmenge daraus die 50 Unternehmen dar, die wir im Portfolio haben. Primär ist für uns die klimabezogene Analyse, aber Bewertungsfragen nehmen ebenfalls einen großen Stellenwert ein.
Die jüngste Rotation hin zu Value-Werten freut Sie sicher, oder?
Bloemen: Ja, die wirkt sich natürlich positiv auf den Fonds aus. Aber zugleich stellt sie uns vor neue Herausforderungen. Denn einige Segmente, die wir aus Sicht der Klimaanalyse gerne im Fonds haben möchten, sind sehr gut gelaufen und nicht mehr wirklich günstig bewertet. Viele größere Positionen von Erneuerbare-Energie-Unternehmen etwa haben wir in den vergangenen drei Monaten minimiert. Aktuell sind wir schon wieder dabei, bei Firmen aufzustocken, bei denen die Kurse um 30 Prozent und mehr eingebrochen sind. Wir haben auch Bereiche gesehen, die sehr schnell sehr viel Geld angezogen haben, vor allem rein auf Wasserstoff fokussierte Firmen. Von diesen haben wir aus Bewertungsgründen aktuell keine in unseren Fonds aufgenommen, behalten sie aber im Blick.
Dieses Segment klammern Sie derzeit komplett aus?
Bloemen: Nein. Wir halten zum Beispiel Anteile an Air Liquide und Faurecia, die ein großes Geschäftsfeld im Zusammenhang mit Wasserstoff haben. Wir setzen also auf Unternehmen, die keine "Pure Player" sind, wohl aber einen entsprechenden Bereich aufweisen, der sich noch nicht in einer höheren Bewertung niedergeschlagen hat. So gehen wir mit dem Thema Value um: richtige Positionsgröße erreichen durch An- und Verkäufe sowie Themen indirekt spielen, wenn dies mit einer günstigeren Bewertung einhergeht.
Bei welchen Unternehmen entdecken Sie denn noch Value?
Cameron: Ein Beispiel ist Signify, das frühere Beleuchtungsgeschäft von Philips. Die Aktie hat seit Jahresanfang stark zugelegt. Signify ist Marktführer bei der Herstellung von LEDs. Diese nehmen eine wichtige Rolle ein beim Bemühen, den Energieverbrauch global zu senken. Für uns ist Signify ein sehr günstiges Unternehmen, was Analysten gemeinhin als Value bezeichnen. Es hat eine sehr hohe Free-Cashflow-Rendite und ein sehr niedriges Kurs/Gewinn-Verhältnis. Für uns geht es stets darum, jene Unternehmen zu finden, die der Umwelt helfen und von der Energiewende profitieren, die aber noch nicht zu hoch bewertet sind. So können wir von einer Neubewertung profitieren, wenn die Märkte das Potenzial erkennen.
Sie setzen auch auf Unternehmen im Wandel. Was wäre denn ein typisches Beispiel?
Cameron: Ich denke da zum Beispiel an Albemarle, den größten Lithiumproduzenten der Welt. Wir glauben, dass die Elektrifizierung des Transportwesens -insbesondere E-Autos - dafür sorgen wird, dass die Lithium-Nachfrage das Angebot bei Weitem übersteigen wird. Aktuell erzielt Albemarle rund 40 Prozent seiner Erträge im Lithiumgeschäft. Wir erwarten, dass dieser Anteil in den kommenden Jahren auf 65, 70 oder mehr Prozent steigen wird. Und aus Albemarle, das aktuell eine Art Konglomerat-Konzern ist, wird ein fast reinrassiges Lithium-Unternehmen, das einen wichtigen Teil dazu beitragen wird, Emissionen zu reduzieren.
Noch ein Wort zur Wertentwicklung des Fonds: Diese hinkt seit der Neuausrichtung vor drei Jahren der Ihres Vergleichsindex MSCI All Country World hinterher. Was sind die Gründe?
Bloemen: Zum einen mussten wir bei dem Portfolio, das vorher ja ein unspezifischer, auf globale Value-Titel ausgerichteter Fonds war, zunächst unsere Anlagevorstellungen schärfen im Hinblick auf Klimaanalyse und Bewertung. Das führte dazu, dass wir uns im Laufe der Zeit von Aktien getrennt haben, bei denen wir am Anfang dachten, sie sollten eigentlich im Portfolio bleiben. Wir mussten uns erst klar werden, wohin genau wir mit dem Fonds steuern wollen. Zum anderen verfolgen wir ja eine Value-orientierte Anlagepolitik, und Value-Aktien haben sich über lange Zeit nicht so gut entwickelt wie Wachstumstitel.