Der Ex-Siemens-Manager steht unangefochten an der Spitze des Unternehmens mit 160.000 Mitarbeitern. In den kommenden Jahren dürfte Hiesinger ThyssenKrupp weiter zu einem Technologiekonzern umbauen, bei dem das konjunkturanfällige Stahlgeschäft - wenn überhaupt - nur noch eine Nebenrolle spielt. Die Aktionäre, darunter der Finanzinvestor Cevian, werden nach der Krise nun wohl auf ordentliche Gewinne drängen.

Davon ist ThyssenKrupp noch ein gutes Stück entfernt. Daher baut Hiesinger die margenstarken Technologiegeschäfte wie die Aufzugssparte, den Anlagenbau und die Produktion von Komponenten und Autoteilen aus. Deren zum Teil zweistellige Rendite (Ebit-Marge) soll weiter steigen. Der Werkstoffhandel und das Stahlgeschäft sollen indes mindestens kostendeckend sein.

Nach Milliardenverlusten in Folge des Desasters mit den Übersee-Stahlwerken hatte das Unternehmen für das Geschäftsjahr 2013/14 (per Ende September) erstmals wieder schwarze Zahlen angepeilt. Die Bilanz legt der Vorstand am nächsten Donnerstag vor. Analysten erwarten, dass ThyssenKrupp seinen um Sondereffekte bereinigten Gewinn wie angekündigt auf rund 1,2 Milliarden Euro verdoppelt hat - es könnte aber auch mehr sein. Unter dem Strich sei ein Ergebnis von 180 Millionen möglich, erklären die Experten von Independent Research. Für das neue Geschäftjahr werde es wohl auch wieder eine Dividende geben. Zuletzt waren für 2010/11 je Aktie 45 Cent ausgeschüttet worden.

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AUFSICHTSRATSCHEF LEHNER FORDERT MEHR GEWINN

"Die Blutung ist gestoppt, aber die Reha ist noch nicht beendet", sagte ein Insider der Nachrichtenagentur Reuters. Die Zahlen müssten besser werden, verlangt auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner. Um langfristig erfolgreich zu sein, fehlten dem Unternehmen eine Milliarde Euro mehr an Ergebnis, hatte er dem Management ins Stammbuch geschrieben. "Unser Ziel muss es sein, mehr einzunehmen als auszugeben. "Wenn wir das schaffen wollen, müssen wir ein Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) von etwa zwei Milliarden Euro erzielen", betont Finanzchef Guido Kerkhoff.

"Die Richtung stimmt, unsere Strategie trägt und unsere operativen Maßnahmen zeigen deutliche Wirkung", erklärt derweil Hiesinger. Er hatte immer wieder darauf verwiesen, das er den Konzern nur nach und nach aus der Misere führen könne. Und es gab auch Rückschläge. ThyssenKrupp hatte nur eines der beiden Überseestahlwerke abstoßen können, deren Kosten auf über zwölf Milliarden Euro explodiert waren.

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EXPERTEN SEHEN HIESINGERS AUFRÄUMARBEITEN POSITIV

"Hiesinger ist klar der Chef", sagt ein Insider. Der Vorstand trete aber als Team auf. "Das sieht aus wie aus einem Guss." Auch Analysten und Anleger stellen Hiesinger ein gutes Zeugnis aus. "Insgesamt befindet sich ThyssenKrupp auf dem Weg einer substanziellen Ertragsverbesserung nach Jahren hoher Wertvernichtung", erklärt Steubing-Stahlanalyst Michael Broeker. Allerdings habe Hiesinger viele Baustellen geerbt, so dass er mit Aufräumarbeiten beschäftigt war, sagt der Geschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Thomas Hechtfischer. "Er sollte seine Strategie noch schärfen."

"ThyssenKrupp muss sich neue, zukunftsorientierte Geschäftsfelder erschließen, die an derzeitige Geschäftsfelder mit weltweiter Marktpositionierung und starker Cashflow-Generierung anknüpfen und ausbaufähig sind", fordert Union Investment-Fondsmanager Ingo Speich. Das klassische Stahlgeschäft gehöre nicht dazu. "Langfristig wird sich die Frage stellen, inwieweit der Transformationsprozess zu einem 'Technologiekonzern' möglich ist, und man dann auf Steel Europe zu einem akzeptablen Preis verzichten kann. Derzeit ist an einen Verkauf zu akzeptablen Konditionen wohl nicht zu denken."

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THYSSEN SETZT AUF TECHNOLOGIE-GESCHÄFTE IN USA UND CHINA

Hiesinger war in seiner ersten Amtszeit damit beschäftigt, die Verluste und die Schulden zurückzufahren. Dank der Einnahmen aus dem Verkauf des US-Werks von rund einer Milliarde Euro und der Kapitalerhöhung im Wert von 880 Millionen Euro konnte der Konzern die Schulden auf rund vier Milliarden Euro senken. Zugleich treibt Hiesinger ein Kostensenkungsprogramm voran, das bis Ende 2014/15 Einsparungen von insgesamt 2,3 Milliarden Euro vorsieht. Er scheut sich auch nicht vor einem Stellenabbau. Allein in der Verwaltung sollen von 15.000 Jobs 3000 wegfallen.

Die Beschäftigten der Stahlsparte stimmten zur Sicherung ihrer Jobs einer Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 31 Stunden zu. Betriebsbedingte Kündigungen seien im Gegenzug bis 2020 ausgeschlossen, erklärt Stahlbetriebsratschef Günter Back. Der Anteil des früher dominierenden Stahlgeschäfts am Umsatz liegt inzwischen bei unter 30 Prozent. Hiesinger setzt auf Hightech. In China treibt er auch die Produktion von Teilen für die Autoindustrie voran. Auch in den USA sieht ThyssenKrupp trotz des Stahlwerksdesasters eine Zukunft. "Stahl, das war natürlich kein Wachstumsmarkt, aber in anderen Geschäften muss man ganz klar sagen, die Märkte, die im Moment am meisten das Wachstum treiben, sind USA und China."

Reuters