Jack Dorsey ist ein echter Tausendsassa. Seit er im September 2015 an die Spitze von Twitter zurückkehrte, führt der heute 42-Jährige sowohl den Kurznachrichtendienst als auch den ebenfalls von ihm mitgegründeten Zahlungsdienstleister Square. Zugleich gehört der ausgebildete Masseur zu einem Personenkreis, der in der Twitter-Community eine tragende Rolle spielt. Dorsey ist ein echter "Influencer". Mit seinen Essgewohnheiten - der Manager nimmt nur eine Mahlzeit am Tag zu sich und fastet am Wochenende - ist er genauso ein Vorbild für viele Menschen wie mit seiner Begeisterung fürs Meditieren, für Eisbäder oder intensive Saunagänge. Aktuell weist sein Twitter-­Account @jack knapp 4,2 Millionen Follower auf.

Fortschritte auf allen Ebenen


Darunter dürften sich nicht wenige Investoren und Analysten befinden. Zuletzt nahm Jack Dorsey offenbar auch hier positiven Einfluss. Im bisherigen Jahresverlauf verteuerte sich die Twitter-Aktie um rund ein Viertel. Damit schnitt sie klar besser ab als der S & P 500. Allerdings kann die kurzfristige Rally nur wenig daran ändern, dass der Social-Media-Titel ausgehend vom Börsengang im Herbst 2013 dem US-Leitindex weit hinterherhinkt.

Was die finanziellen Kennzahlen anbelangt, konnte Dorsey seit seinem CEO-Come­back deutliche Fortschritte verbuchen. Im vergangenen Jahr fuhr Twitter einen Umsatz von gut drei Milliarden US-Dollar ein. Damit hatte sich das Geschäftsvolumen gegenüber dem Niveau von 2014 mehr als verdoppelt. Gleichzeitig schaffte der Kurznachrichtendienst den Break-even: Nach Jahren mit teils horrenden Verlusten verdienten die Kalifornier 2018 unterm Strich gut 1,2 Milliarden US-Dollar.

Im ersten Quartal 2019 setzte sich der positive Trend fort. Twitter steigerte die Umsätze um 18 Prozent auf 787 Millionen US-Dollar und übertraf damit die Erwartungen. Mit 191 Millionen Dollar lag der Überschuss um mehr als das Dreifache über dem Vorjahreswert. Hier profitierte das Unternehmen zwar von einem positiven Steuereffekt, doch Twitter konnte auch den bereinigten Gewinn verbessern. An der Wall Street sorgte vor allem die Entwicklung der Community für Aufsehen: Für das erste Quartal meldete Twitter im Schnitt 330 Millionen monatlich aktive Nutzer (siehe Grafik). Analysten hatten bei den sogenannten MAUs mit einem Schwund gerechnet.

Das Wachstum ist insofern erstaunlich als die sozialen Netzwerke gerade in den vergangenen Monaten verstärkt in der öffentlichen Kritik standen. Politiker und Verbraucherschützer werfen Twitter - ­ebenso wie Facebook - vor, zu wenig gegen Hassbotschaften oder gefälschte ­Accounts zu unternehmen und zu wenig für den allgemeinen Datenschutz. "Wir gehen proaktiver vor, um auf Twitter den Missbrauch und seine Auswirkungen zu reduzieren", kontert Dorsey. So habe sich im ersten Quartal die Anzahl der aufgrund von Regelverstößen gelöschten Tweets um den Faktor 2,5 erhöht.

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Aussprache im Weißen Haus


Durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz und spezialisierter Mitarbeiter entfernt das Unternehmen zudem im großen Stil sogenannte Fake Accounts oder sperrt Teilnehmer aus, die illegale Inhalte verbreiten. Das "Großreinemachen" hat dazu geführt, dass einer der bekanntesten Twitter-Nutzer viele Follower verloren hat: US-Präsident ­Donald Trump, dem immerhin noch 61 Millionen Nutzer folgen, soll sich bei einem Treffen im Weißen Haus bei Jack Dorsey persönlich darüber beschwert haben.

Fest steht, dass Twitter viel Geld in die Hand nehmen muss, um gerade mit Blick auf die anstehende Präsidentschaftswahl 2020 für eine saubere Debatte zu sorgen. Für 2019 rechnet der Chef daher mit einem Anstieg der operativen Kosten um 20 Prozent. Umso mehr kommt es für ihn nun darauf an, die für den Großteil der Umsätze verantwortlichen Werbekunden und die Mitglieder gleichermaßen bei der Stange zu halten. Neben innovativen Anzeigenformaten setzt Twitter auf Inhalte, beispielsweise verbreitet der Dienst Video-­Highlights von der laufenden Frauen­fußball-WM in Frankreich.

An der Wall Street gehen die Meinungen auseinander, ob Twitter sich auf nachhaltigem Wachstumskurs befindet oder nicht. Skeptiker monieren die hohe Bewertung und fürchten, dass die Kosten auch in den kommenden Jahren weiter steigen werden. Dagegen rät unter anderen JP Mor­gan zum Kauf der Aktie. Nach Ansicht der US-Bank gewinnt Twitter bei den Werbetreibenden immer mehr an Relevanz.

Zudem trauen die Analysten dem Unternehmen höhere Margen zu. Aus unserer Sicht spricht auch der nahende Wahlkampf in den USA für Twitter. Im Zuge des Urnengangs kann das Unternehmen auf ein besonders intensives "Gezwitscher" sowie zusätzliche Werbeeinnahmen hoffen. Allerdings sollten nur Anleger mit Mut und einem Faible für dieses spezielle Geschäftsmodell auf den nachhaltigen Erfolg Jack Dorseys als Influencer der Wall Street setzen.