Mit dem einst gefeierten Ex-Chef des Sportwagenbauers steht ein Prominenter vor Gericht. Das Urteil ist zudem enorm wichtig für den VW-Großaktionär Porsche SE in einer Zeit, in der wegen "Dieselgate" eine gigantische Klagewelle auf den Wolfsburger Konzern zurollt. Denn eine Verurteilung würde Hedgefonds, die auf über fünf Milliarden Euro Schadensersatz gegen die Familienholding der Porsches und Piechs klagen, wichtige Argumente liefern. Doch danach sieht es nach fast sechs Monate langen Verhandlungen nicht aus. Die Strafkammer unter Richter Frank Maurer hat kein klares Signal gegeben. Doch fast 20 Zeugenvernehmungen und ein Gutachten stützten die Anklage nicht und entlasteten die Beschuldigten. Die Strafverfolger berufen sich nur auf Indizien. Ein Freispruch ist möglich.
Das ungleiche Kräfteverhältnis vor Gericht ist augenfällig: Auf der einen Seite sitzen die beiden Staatsanwälte Heiko Wagenpfeil und Aniello Ambrosio - auf der anderen füllt eine Riege von einem halben Dutzend Anwälten und ihren Gehilfen die Reihen. Zu ihnen zählen die Strafverteidigerstars Hanns Feigen, der Ex-Bayern-München-Präsident Uli Hoeneß vertrat, und Sven Thomas, der Formel-1-Chef Bernie Ecclestone vor dem Landgericht München zu einem Vergleich im Korruptionsprozess verhalf.
Auf Seite 2: "KALTSCHNÄUZIG" - "EHRABSCHNEIDEND"
"KALTSCHNÄUZIG" - "EHRABSCHNEIDEND"
Verhandelt wurde über zwei Anklagen: Die eine wirft den ehemaligen Porsche-Managern vor, von März bis Oktober 2008 ihre wahre Absicht einer Übernahme von mehr als 75 Prozent von VW mit Dementis verschleiert zu haben. Schwerer wiegt die Anklage, die erst im Juni 2015 erhoben wurde und sich auf die Mitteilung vom 26. Oktober 2008 bezog. An diesem Sonntag bekundete Porsche die Absicht, VW zu mehr als 75 Prozent übernehmen zu wollen. Die Holding hatte sich bereits durch Käufe und Optionsgeschäfte rund 74 Prozent an dem Wolfsburger Autokonzern gesichert. Am Montag darauf sprang der VW-Aktienkurs von 210 Euro auf etwas über 1000 Euro - eine Reaktion, die die Porsche-Manager nach Überzeugung von Wagenpfeil erreichen wollten, da aus Optionsgeschäften sieben Milliarden Euro Verlust aufgelaufen seien und weitere sieben Milliarden Euro bei gleichbleibendem Kurs gedroht hätten. Wiedeking und Härter hätten mit "Kaltschnäuzigkeit und krimineller Energie" den Kurs hochgejubelt, um Verluste zu vermeiden, sagte Wagenpfeil. Vor allem Hedgefonds, die mit Leerverkäufen auf fallende Kurse gesetzt hatten, brockte das Verluste ein, weil sie sich extrem teuer eindecken mussten.
Dass weder ein Investmentbanker noch ein Rechtsberater Härters und auch deren enge Mitarbeiter im Zeugenstand keine geheimen Beschlüsse oder die Aktion zum Zweck der Gewinnmitnahmen bestätigen konnten, ist für den Staatsanwalt kein Widerspruch. Wiedeking und Härter hätten niemanden in ihren schon lange beschlossenen 75-Prozent-Plan eingeweiht. Nach den Worten von Wagenpfeil war mit Zeugenaussagen deshalb kein Blumentopf zu gewinnen. "Die Lüge wird nicht wahr dadurch, dass sie von den Zeugen weitererzählt wird", sagte er, was Wiedeking-Verteidiger Walther Graf mit den Worten "ehrabschneidend, unerträglich, in jeder Hinsicht unentschuldbar" geißelte.
Die Angeklagten und ihre Verteidiger wiesen alle Vorwürfe zurück. Nach ihrer Darstellung war für die beherrschende VW-Übernahme erst am 20. Oktober 2008 der Weg frei, nachdem der Familienpatriarch und damalige VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech seinen Widerstand im Porsche-Aufsichtsrat aufgegeben hatte. Alle zuvor besprochenen Szenarien zu 75 Prozent seien nur Gedankenspiele gewesen. Statt der behaupteten 14 Milliarden Euro Verlust hätten nur 193 Millionen Euro gedroht. Wagenpfeil habe willkürlich einen zu kurzen Zeitraum betrachtet und sich verrechnet. Härter habe bereits länger das VW-Engagement offen legen wollen, da ihm die Kurskapriolen während der Finanzkrise nicht recht waren - von Panik am Wochenende keine Spur.
Die Verteidiger überzogen die Ankläger mit harscher Kritik: Wagenpfeil habe eine blühende Ermittlerphantasie, die Geschichte wie ein Krimiautor frei erfunden, greife zu billigen Tricks und ziehe daraus unseriöse, abwegige, groteske Schlüsse. Der so Gescholtene erklärte dazu achselzuckend: "Das prallt an der Robe ab." Jetzt sei es an der Kammer zu entscheiden, was richtig ist. Danach können sich beide Seiten überlegen, ob es mit einer Revision beim Bundesgerichtshof noch ein Nachwort gibt.
Reuters