"Ohne die erheblichen Vorsorgemaßnahmen, die wir für alle heute abschätzbaren Folgen der Abgasthematik getroffen haben, hätten wir einmal mehr von einem insgesamt erfolgreichen Geschäftjahr sprechen können", zog Konzernchef Matthias Müller Bilanz. Die Krise belaste Volkswagen finanziell sehr stark. "Wir haben aber den festen Willen und die Mittel, die schwierige Situation, in der wir uns befinden, aus eigener Kraft zu bewältigen." Das nötige Geld hat der Konzern: Die Nettoliquidität lag zum Jahresende bei 24,5 Milliarden Euro.
Trotz des Rekordverlusts sollen die Stammaktionäre, darunter als größte die Familien Porsche und Piech sowie das Land Niedersachsen, eine kleine Dividende von elf Cent je Aktie erhalten. An die Vorzugsaktionäre sollen 17 Cent je Anteilschein fließen. Im Vorjahr waren an die Eigner 4,80 je Stamm- und 4,86 je Vorzugsaktie gezahlt worden.
Die Bonuszahlungen an die Vorstände werden um 39 Prozent gekürzt, Teile der variablen Vergütung sollen einbehalten und erst 2018 abhängig vom Geschäfts- und Aktienkursverlauf und der Bewältigung des Skandals ausbezahlt werden. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nannte die Kürzung angemessen. Der Beschluss nehme das auf, "was in der Öffentlichkeit an Fragen gestellt worden ist", sagte der SPD-Politiker. Betriebsratschef Bernd Osterloh erklärte, der mühsam gefundene Kompromiss berücksichtige sowohl die öffentlichen Erwartungen als auch die Situation des Unternehmens.
"DAS OPERATIVE GESCHÄFT IST KERNGESUND"
Ohne die Belastungen durch den Skandal, die sich inklusive Restrukturierungen auf 16,9 Milliarden Euro summieren, hätte Volkswagen einen Gewinn von 12,8 Milliarden Euro erzielt. Damit schnitt der Konzern leicht besser ab als im Vorjahr. Der Umsatz legte trotz niedrigerer Auslieferungen um fünf Prozent auf 213 Milliarden zu. "Das operative Geschäft des Volkswagen Konzerns ist kerngesund", sagte Müller.
Für das laufende Jahr stellte er wegen der in vielen Ländern unsicheren Wirtschaftslage und den anhaltenden Risiken durch den Abgasskandal einen Umsatzrückgang um bis zu fünf Prozent in Aussicht. Die operative Rendite soll zwischen fünf und sechs Prozent liegen. Die im Dax notierte VW-Aktie grenzte ihre Verluste nach der Bekanntgabe der Zahlen ein.
In den USA war vor sieben Monaten durch die Umweltbehörde EPA öffentlich gemacht worden, dass VW bei Diesel-Autos eine Schummelsoftware eingesetzt hat, um die Abgasvorschriften zu umgehen. Weltweit sind elf Millionen Fahrzeuge betroffen.
Nach langwierigen Verhandlungen hatte sich Europas größter Autobauer am Donnerstag mit den US-Behörden auf Grundzüge eines außergerichtlichen Kompromisses geeinigt. Dieser sieht den Rückkauf von bis zu einer halben Million Dieselfahrzeugen mit 2,0-Liter-Motoren und eine Entschädigung der Autobesitzer vor. Alternativ soll Kunden eine Reparatur ihrer Wagen angeboten werden, sofern die US-Aufseher dafür grünes Licht geben. Zudem ist ein Fonds zur Förderung von Umwelt-Technologien vorgesehen.
"DAS IST KEIN BEFREIUNGSSCHLAG"
Branchenexperte Frank Schwope von der NordLB sagte, die Einigung sei kein Befreiungsschlag. "Es ist nur ein Zwischenschritt und gibt VW Planungsicherheit für Insvestitionen, mehr nicht." Die Bewältigung der Krise werden VW noch die nächsten fünf bis zehn Jahre beschäftigen und am Ende zwischen 20 bis 30 Milliarden Euro kosten, vielleicht sogar mehr.
Durch die Grundsatzvereinbarung in den USA bekommt VW mehr Zeit, um eine Einigung mit den zahlreichen Klägern zu erreichen, die Schadensersatz fordern. Beim Bezirksgericht in San Francisco sind hunderte Klagen von Autobesitzern und Händlern sowie von US-Behörden und dem US-Justizministerium gebündelt. Volkswagen hatte den amerikanischen Anwalt Kenneth Feinberg beauftragt, einen Entschädigungsfonds einzurichten. Mit dem Kompromiss kann er nun seine Arbeit beginnen.
Die Veröffentlichung des eigentlich für Ende April angekündigten Zwischenberichts über die interne Suche nach den Verantwortlichen und die Hintergründe des Dieselskandals verschob Volkswagen auf unbestimmte Zeit. Die Gespräche befänden sich in einer entscheidenden Phase, die ein Höchstmaß an Vertraulichkeit voraussetze, hieß es zur Begründung.