Dafür will sich auch Betriebsratschef Bernd Osterloh einsetzen. Doch auch er bereitete die Belegschaft auf Einschnitte vor. "Realistisch ist noch nicht abzusehen, wie unsere Kunden auf diesen Skandal reagieren werden", erklärte Osterloh. Die Abgaskrise werde auch Folgen für das Ergebnis der Hauptmarke VW und damit auf den Bonus für die Mitarbeiter haben. "Wir werden genau hinschauen, wie der Bonus für den Vorstand aussehen soll." Klar sei, dass die Beschäftigten nicht die Zeche für das Fehlverhalten einer Gruppe von Managern zahlen werde, betonte der Betriebsratschef. Während der Versammlung in einer Halle auf dem Werksgelände demonstrierten viele Mitarbeiter ihre Treue zum Konzern. Sie trugen Teilnehmern zufolge weiße T-Shirts mit dem VW-Logo und der Aufschrift: "Ein Team - eine Familie". Auf Transparenten stand: "Wir sind Volkswagen".
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"AUCH ICH BIN UNGEDULDIG"
"Es wurde Optimismus verbreitet", sagte eine VW-Mitarbeiterin beim Verlassen der Versammlung. Sie sei überzeugt, dass VW die Krise bewältigen könne. Das werde jedoch vermutlich auch Stellen kosten. "Es wäre der nächste Fehler zu sagen, die Arbeitsplätze sind sicher, dass geht doch gar nicht." Die ganze Region hänge vom VW-Werk ab.
Drinnen hatte Müller kurz zuvor auch um Verständnis geworben, dass VW bisher noch kein Konzept vorgelegt habe, um die Abgas-Manipulationen zu beseitigen. "Glauben Sie mir: Auch ich bin ungeduldig. Aber in dieser Situation, in der wir es mit vier Marken und vielen Modellvarianten zu tun haben, ist Sorgfalt noch wichtiger als Tempo."
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil verlangte erneut eine umfassende Aufklärung des Skandals. Daran würden sich die Vertreter des Landes im Aufsichtsrat in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern beteiligen, schrieb der SPD-Politiker in einem Brief an die Belegschaft.
Volkswagen hat zugegeben, millionenfach Fahrzeuge in den vergangenen Jahren mit einer Software ausgestattet zu haben, die die Abgaswerte manipulieren kann. Allein in Europa sind acht Millionen Fahrzeuge davon betroffen, weltweit sind es bis zu elf Millionen. Der langjährige Vorstandschef Martin Winterkorn musste daraufhin seinen Stuhl räumen. Zu seinem Nachfolger ernannte der Aufsichtsrat Müller, bis vor kurzem noch Chef der Sportwagentochter Porsche. Er geht inzwischen den Umbau des Wolfsburger Auto-Imperiums an.
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FRIST LÄUFT AB
Am Mittwoch soll der Aufsichtsrat den bisherigen Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch zum Oberaufseher wählen. Zuvor muss Pötsch vom Amtsgericht Braunschweig noch zum Aufsichtsrat ernannt werden. Der Antrag ging nach Gerichtsangaben inzwischen ein. Der 64-jährige Österreicher folgt damit dem Firmenpatriarchen Ferdinand Piech, der sich nach einem verlorenen Machtkampf mit Winterkorn im April von allen Ämtern im Konzern zurückgezogen hatte. Mit dem Machtwechsel schließt Volkswagen auch ein Stück weit Frieden mit dem im Groll ausgeschiedenen Porsche-Enkel.
Der VW-Aufsichtsrat will am Mittwoch zudem eine Zwischenbilanz über die Aufklärung des Skandals ziehen. Dabei könnten Insidern zufolge auch weitere personelle Konsequenzen Thema werden. Vor der am Donnerstag angesetzten Anhörung vor einem Ausschuss des US-Repräsentantenhauses wolle VW möglichst große Transparenz demonstrieren, um Vertrauen zurückzugewinnen.
Bis Mittwoch muss VW dem Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt technische Lösungen für die manipulierten Motoren und einen Plan für die Behebung der Fehler präsentieren. Sonst droht der Entzug der Zulassung, betroffene VW-Fahrzeuge dürften dann auf deutschen Straßen nicht mehr fahren. Ein Projektteam habe einen Aktionsplan erarbeitet, um die Abgas-Manipulationen zu beseitigen, erklärte Müller. Teilweise reiche eine Überarbeitung der Software aus. Bei einem Teil der Fahrzeuge seien dagegen zusätzliche Eingriffe nötig. Die Kunden sollten bald über die Maßnahmen informiert werden.
Auch über den Konzern hinaus hat der Skandal Folgen. Wirtschaftsexperten halten sogar Auswirkungen jenseits der Automobilbranche bei Unternehmen anderer Branchen für möglich. Laut tschechischem Finanzministerium könnte die VW-Krise dort den Aufschwung im kommenden Jahr dämpfen. In den Land unterhält die VW-Tochter Skoda ein großes Werk.
Reuters