Worum geht es in der Causa VW für Kapitalanleger eigentlich?
Knackpunkt ist, wann Volkswagen per Ad-hoc-Mitteilung über die Abgasmanipulationen hätte informieren müssen. Anlegeranwälte gehen davon aus, dass das spätestens im Mai 2014 hätte geschehen müssen, da zu diesem Zeitpunkt die Ermittlungen der US-Umweltbehörden gegen VW bereits bekannt wurden. Tatsächlich informierte VW erst ab dem 20. September 2015 über die Vorwürfe - zu spät, meinen zumindest Anlegeranwälte unisono: VW-Aktionäre und wohl auch Besitzer anderer von VW emittierter Papiere könnten daher Schadenersatz wegen verspäteter Ad-hoc-Mitteilung geltend machen. Auch andere Anspruchsgrundlagen kommen infrage.
Läuft bereits ein Kapitalanleger-Musterverfahren in Deutschland?
Das Landgericht Braunschweig ist am Drücker. Es hat zwar mehrere Musterverfahrensanträge bekannt gegeben, doch nun muss es den Vorlage-beschluss für das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig erlassen, und das wird laut Gericht frühestens im August der Fall sein. Das OLG wiederum muss das eigentliche Verfahren eröffnen - dass das noch bis Mitte September klappt, scheint aber mehr als unwahrscheinlich zu sein. "Spätestens Ende August, Anfang September müssen sich die Geschädigten entscheiden, wie sie weiter vorgehen", sagt daher Anlegeranwalt Axel Wegner von der Kanzlei Tilp - damit es im Fall des Falles noch fristgerecht mit der Klageerhebung bis Mitte September klappt.
Warum ist der Termin Mitte September 2016 für Klagewillige so wichtig?
Grund für den Zeitdruck ist, dass viele Anleger die Verjährung ihrer Ansprüche riskieren, wenn sie auf das Musterverfahren warten. Die Situation ist rechtlich verfahren: Denn laut Gesetz galt bis zum 10. Juli 2015 generell eine kurze Verjährungsfrist von einem Jahr ab Kenntnis des Anlegers, spätestens drei Jahre ab Unterlassung der Pflichtmitteilung. Diese kurze Verjährung wurde am 10. Juli 2015 gestrichen, ohne an eine Übergangsregelung für Altfälle zu denken. Deshalb ist unsicher, wann Käufe aus der Zeit vor dem 10. Juli 2015 verjähren. "Um auf der sicheren Seite zu sein, sollten betroffene Aktionäre von einer einjährigen Frist ab Veröffentlichung durch VW ausgehen", rät Anlegeranwalt Dietmar Kälberer. Hingegen haben Anleger, die nach diesem Termin VW-Aktien gekauft und dann Geld verloren haben, vor Ende 2018 kein Verjährungsrisiko - und können ganz einfach abwarten.
Worin besteht der Vorteil eines Musterverfahrens?
Eine Anmeldung zum Musterverfahren ist viel kostengünstiger, als auf eigene Faust zu klagen. Sie ist aber erst möglich, wenn der Eröffnungsbeschluss des Musterverfahrens vom OLG Braunschweig vorliegt. Anwalt Kälberer rät Betroffen daher zu folgender Kalkulation: Wer auf einem Schaden von 5000 Euro und weniger sitzt, sollte eine eigenständige Klage eher vermeiden, vor allem, wenn er nicht rechtsschutzversichert ist. Denn allein die erste Instanz kostet knapp 2300 Euro an Anwalts- und Gerichtskosten plus etwaige Kopier- und Fahrtkosten. Zum Vergleich: Die Anmeldung zum Musterverfahren schlägt nur mit rund 390 Euro zu Buche.
Gibt es noch weitere Musterverfahren?
Die Kanzlei Nieding + Barth hat inzwischen auch gegen Porsche beim Landgericht Stuttgart wegen der Dieselgate-Affäre ein Kapitalanleger-Musterverfahren beantragt - und damit eine zweite Front eröffnet. Denn nicht nur waren die bei Porsche verbauten Motoren zum Teil baugleich mit VW, sondern es saßen auch teilweise die-selben Personen in Vorstand und Aufsichtsrat.
Hat die Finanzaufsicht Bafin in der Causa VW etwas unternommen?
Die Bafin hat nach eigenen Ermittlungen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Braunschweig gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn und mindestens einen weiteren Ex-Vorstand wegen des Verdachts auf Marktmanipulation gestellt. "Das ist ein Paukenschlag und ein Signal für alle geschädigten Anleger", sagt Anlegeranwalt Klaus Nieding. Berichte, wonach sie den gesamten früheren VW-Vorstand angezeigt habe, dementierte die Bafin.