Chaostage bei Volkswagen: Nur eine Woche nach einer Krisensitzung des Aufsichtsratpräsidiums in Salzburg ist der Machtkampf an der Spitze des größten Autokonzerns Europas über die Medien wieder aufgeflammt. Firmenpatriarch Ferdinand Piech dementierte am Donnerstag über "Spiegel" und "Bild"-Zeitung Berichte, er betreibe hinter den Kulissen weiter die Ablösung von Konzernchef Martin Winterkorn: "Herr Winterkorn und ich haben uns vergangene Woche ausgesprochen und uns auf eine Fortsetzung der Zusammenarbeit geeinigt." NDR, dpa und "Welt" berichteten hingegen, der 78-jährige Aufsichtsratschef suche in seiner Familie eine Mehrheit, um den Konzernschef doch noch vor der Hauptversammlung am 5. Mai aus dem Amt zu drängen.

Piech hatte Winterkorn vor knapp zwei Wochen das Vertrauen entzogen, war mit der Absicht, ihn abzulösen, aber vergangenen Donnerstag im Präsidium des Aufsichtsrats gescheitert. Sowohl der Betriebsrat als auch das Land Niedersachsen als zweitgrößter Volkswagen-Aktionär bekräftigten nun ihre Unterstützung für den 67-jährigen Konzernchef, der VW seit 2007 führt. Eine Sprecherin von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil erklärte, der Beschluss von Salzburg bleibe Grundlage dessen Handelns. Ähnlich äußerte sich Betriebsratschef Bernd Osterloh.

Ob Piech seinen Zögling Winterkorn ablösen kann, hängt unter anderem davon ab, ob sein Cousin Wolfgang Porsche bei seiner Unterstützung für Winterkorn bleibt. Porsche, der im Präsidium des VW-Aufsichtsrats für seinen Familienzweig spricht, hatte sich vergangene Woche hinter Winterkorn gestellt und gemeinsam mit dem Betriebsrat und Niedersachsen Piech die Stirn geboten. Anschließend veröffentlichte das Präsidium eine Stellungnahme, in der Winterkorn eine Vertragsverlängerung über 2016 hinaus in Aussicht gestellt wurde.

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Die "Welt" berichtete am Donnerstag in ihrer Onlineausgabe, Piech wolle die Familie davon überzeugen, dass Winterkorn nicht mehr der richtige Mann als Vorstandschef sei. "Er ist jetzt an die Familienmitglieder, vor allem die Porsches, herangetreten, um in Einzelgesprächen Alternativen zu Winterkorn auszuloten." Die Informationen seien im Umfeld des Konzerns bestätigt worden. Ein VW-Sprecher sagte indes, es gebe nichts zu der Erklärung des Aufsichtsratspräsidiums hinzuzufügen. Das sechsköpfige Gremium hatte Winterkorn als "bestmöglichen Vorsitzende des Vorstands" bezeichnet und erklärt, er genieße weiter die uneingeschränkte Unterstützung.

Das Votum fiel nach Reuters-Informationen mit fünf zu eins Stimmen gegen Piech, der damit isoliert war. Laut NDR hält der Enkel des berühmten Konstrukteurs Ferdinand Porsche dennoch an seinen Ablösungsplänen fest. Offen sei lediglich, ob Piech dabei Porsche-Chef Matthias Müller oder Skoda-Chef Winfried Vahland durchsetzen wolle.

Die Blicke richten sich nun auf Wolfgang Porsche. Die Familien Porsche und Piech haben bisher immer an einem Strang gezogen. Selbst im Übernahmepoker zwischen Porsche und VW vor einigen Jahren fanden die Nachkommen des Käfer-Erfinders am Ende einen Kompromiss - "weil Blut eben doch dicker als Wasser ist", wie ein Familieninsider unlängst sagte. Konzernkenner hatten schon vor einigen Tagen vermutet, Piech, der den Wolfsburger Konzern von 1993 bis 2002 selbst geführt hatte, werde sich nicht an den Präsidiumsbeschluss halten.

Für eine Abwahl des Vorstandschefs reicht die einfache Mehrheit im Aufsichtsrat. Wenn die Eigner zusammenhalten, können sie dies durchsetzen, da die Stimme des Vorsitzenden bei einem Patt doppelt zählt. Niedersachsen kommt dabei die Rolle des Züngleins an der Waage zu. Ministerpräsident Stephan Weil sagte der Nachrichtenagentur Reuters, zwischen Land und Betriebsrat gebe es eine "weitgehende Identität in den Interessen und ein konstruktives Miteinander". Weil kritisierte die Spekulationen um Winterkorn. Ihn habe die Debatte der vergangenen zwei Wochen geärgert, weil dadurch der Eindruck entstanden sei, VW sei ein Sorgenkind. "Das Gegenteil ist der Fall, es handelt sich um eine Perle der deutschen Industrie auf einem höchst erfolgreichen Kurs."

Reuters