"Es gibt keinen Grund, den Rücktritt von Dr. Piech zu betreiben", betonte dagegen der frühere IG-Metall-Boss Berthold Huber, der im Präsidium des VW-Aufsichtsrates sitzt. Piech habe in der Vergangenheit und der Gegenwart Großes für das Unternehmen geleistet. Die Arbeitnehmer hätten die feste Absicht, den erfolgreichen Weg von Volkswagen mit Piech und dem durch das Präsidiumsvotum gestärkten Konzernchef Martin Winterkorn fortzusetzen.
Ähnlich äußerten sich das Land Niedersachsen und der VW-Betriebsrat. Ministerpräsident Stephan Weil ließ durch eine Sprecherin mitteilen, dass er an der erfolgreichen Zusammenarbeit sowohl mit dem Vorstandsvorsitzenden des Konzerns als auch mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden festhalten wolle. An dieser Haltung habe sich nichts geändert, trat der SPD-Politiker Spekulationen entgegen, das Land könnte sich an Piechs Entmachtung beteiligen. Niedersachsen ist zweitgrößter VW-Eigner vor dem Emirat Katar.
VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte Spekulationen über die Zukunft des VW-Patriarchen bereits bei Ausbruch des Machtkampfes vor gut einer Woche als überflüssig bezeichnet. "Wir schätzen die Kombination zweier starker Persönlichkeiten an der Unternehmensspitze."
Piech hatte Insidern zufolge angesichts der massiven Kritik im Präsidium des VW-Aufsichtsrats am Donnerstag in Salzburg erstmals mit seinem Rücktritt gedroht. Im Verlauf des Treffens sei es beinahe zur Revolte gekommen, dabei habe auch eine Abwahl des 78-jährigen im Raum gestanden, sagte eine Person mit Kenntnis der Vorgänge. Piech habe zunächst auf einer Ablösung von Winterkorn bestanden und sei zu keinem Kompromiss bereit gewesen.
BLUT IST DICKER ALS WASSER
Ob Piech dabei als Druckmittel auch einen Verkauf seiner Anteile nannte, wie die "Bild am Sonntag" berichtete, wurde nicht bestätigt. Ein Konzernkenner hielt es für möglich, dass eine solche Äußerung im Eifer des Gefechts gefallen sein könnte. Dass der VW-Patriarch und seine Ehefrau Ursula Piech ihre Ämter niederlegten und ihre milliardenschweren Beteiligungen verkauften, sei jedoch "schlicht nicht denkbar", sagte die Person. In diesem Fall müssten die Piechs ihre Aktien der Familie anbieten, da diese ein Vorkaufsrecht habe.
Damit würde der gewiefte Taktiker, der von 1993 bis 2002 selbst an der Spitze von Europas größtem Autobauer stand und seither den Aufsichtsrat leitet, der Familie seines Cousins Wolfgang Porsche das Feld überlassen. Porsche, der für seinen Familienzweig spricht und den Aufsichtsrat der Familienholding leitet, hatte Piech im VW-Präsidium die Stirn geboten. Piech hatte Winterkorn zuvor per "Spiegel"-Artikel das Vertrauen entzogen.
Nach der Krisensitzung kursierten Spekulationen über Pläne zur Entmachtung Piechs. Die "Bild am Sonntag" berichtete, der Aufsichtsratschef solle noch vor der Hauptversammlung aus dem Amt gedrängt werden. Neben den zehn Arbeitnehmervertretern wollten auch die jeweils beiden Aufsichtsräte Niedersachsens und der Porsche-Familie den Patriarchen abwählen. Dies seien 14 der insgesamt 20 Mitglieder des Gremiums.
Die Familien Porsche und Piech haben bisher jedoch immer an einem Strang gezogen. Selbst im Übernahmepoker zwischen Porsche und VW vor einigen Jahren fanden beide Familien letztlich einen Kompromiss - "weil Blut eben doch dicker als Wasser ist", wie ein Familieninsider damals zitiert wurde. Sollte diese Regel weiter gelten, könnten die fünf Vertreter der Familien zusammen mit den zwei Vertretern Katars eine Abwahl Piechs verhindern, wird in Porsches Umfeld vorgerechnet. Nach Aktienrecht ist dafür eine Zweidrittel-Mehrheit nötig.
Um eine Kampfabstimmung im Aufsicht zu verhindern, liefen die Drähte hinter den Kulissen nun heiß. Wenn die Aktionäre am 5. Mai in Hannover zusammenkommen, soll auf dem Podium Frieden eingekehrt sein. Eine Fortsetzung des Machtkampfes vor den Aktionären wollen alle Seiten unter allen Umständen vermeiden. Bei Winterkorn hat der Streit bereits Spuren hinterlassen. Er sagte nach Angaben eines Sprechers seine Reise zur Automesse in Shanghai wegen einer Grippe ab. rtr