Winterkorn, dem der Aufsichtsratschef das Vertrauen entzogen hatte, bleibt an der Spitze von Europas größtem Autobauer - sein Vertrag soll sogar noch verlängert werden, wie VW am Freitag mitteilte. Dafür hätten sich am Vortag bei einer Krisensitzung in Salzburg fünf von sechs Mitgliedern im Präsidium des Aufsichtsrats ausgesprochen und damit gegen Piech gestellt, sagten zwei mit den Vorgängen vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. "Das ist offenkundig eine klare Niederlage für Herrn Piech", fügte ein Insider hinzu. Der machtverwöhnte AR-Chef hatte vor einer Woche überraschend erklärt, er sei "auf Distanz zu Winterkorn", und den Zwölf-Markenkonzern damit in eine tiefe Führungskrise gestürzt.

Daraufhin waren am Donnerstag wichtige Aufsichtsräte im kleinen Kreis an Piechs Sitz in Salzburg zusammengekommen, um einen Ausweg aus der Blockade zu suchen. Heraus kam - einen Tag vor dem 78. Geburtstag des Porsche-Enkels - ein Burgfrieden, in dem Winterkorn eine Vertragsverlängerung über 2016 hinaus in Aussicht gestellt wird. Der sonst bei solchen Gelegenheiten verwendete Begriff der Einstimmigkeit kam in der nur sieben Zeilen langen Erklärung nicht vor.

Das Gremium lobte Winterkorn in den höchsten Tönen. Der 67-Jährige sei "der bestmögliche Vorsitzende des Vorstands für Volkswagen". Man lege großen Wert darauf, dass Winterkorn "weiterhin so aktiv und erfolgreich wie bisher" agiere und dabei die uneingeschränkte Unterstützung des Gremiums habe. Betriebsratschef Bernd Osterloh, der als stellvertretender AR-Chef an dem Treffen in Salzburg teilnahm, begrüßte die Entscheidung des Präsidiums ausdrücklich. "Wir werden unseren Erfolgskurs mit Martin Winterkorn fortsetzen. Er ist der richtige Mann auf dem richtigen Platz." Osterloh hatte sich nach dem Treffen mit Piech am Donnerstagabend demonstrativ zusammen mit Winterkorn beim Europa-League Viertel-Finale des VfL Wolfsburg gegen den SSC Neapel in der Wolfsburger Arena gezeigt.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, ebenfalls Mitglied des AR-Präsidiums, erklärte die Debatte um die Führungsspitze für beendet. "Die Diskussionen der vergangenen Woche waren nicht gut für Volkswagen", sagte der SPD-Politiker in Köln.

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DER TERRIER

Konzernkenner vermuten allerdings, dass Piech trotz der Schlappe an seinem Ziel festhalten wird, Winterkorn als seinen Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrates zu verhindern. Der oberste VW-Kontrolleur ist bis 2017 gewählt. Als wahres Motiv für seine Distanzierung von Winterkorn wird vermutet, dass er einen anderen Nachfolger sucht, der sein Lebenswerk vorantreiben soll. "Piech ist ein Taktiker. Er ist jemand, der nicht aufgibt", sagte eine Person, die den Patriarchen gut kennt. Von seinem Kurs lasse er sich auch nicht durch eine Niederlage abbringen. Der Piech-Kenner erinnerte an Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der sich dem "Alten" zeitweise widersetzt hatte, bevor er nach dem verloren Übernahmepoker mit VW Mitte 2009 aufgeben musste und üppig abgefunden wurde.

Auch Winterkorns Vorgänger Bernd Pischetsrieder wurde von Piech aus dem Amt gedrängt. Sein 2007 auslaufender Vertrag wurde zunächst - trotz eines Streits über den Sanierungskurs - vorzeitig um fünf Jahre verlängert. Dennoch musste der von BMW zu Volkswagen gewechselte Zigarrenliebhaber wenige Monate später sein Amt aufgeben. Piech bediente sich dabei der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, die einen weiteren Personalabbau verhindern wollten.

Die aus dieser Zeit resultierende Allianz mit dem Betriebsrat scheint nun brüchig geworden zu sein. Der einflussreiche Betriebsratschef Bernd Osterloh stellte sich ebenso wie das Land Niedersachsen als zweitgrößter VW-Aktionär hinter Winterkorn. Auch Piechs Cousin Wolfgang Porsche und das ebenfalls an Volkswagen beteiligte Emirat Katar zeigten sich befremdet über das Vorgehen des Aufsichtsratschefs.

"Winterkorn hat erstmal gewonnen", sagte Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Es sei überraschend, dass Piech habe zurückstecken müssen. Klar sei aber auch, dass Winterkorn angeschossen bleibe. "Die Frage ist auch weiter, wer folgt Piech im Aufsichtsratsvorsitz - das müssen die jetzt diskutieren", sagte der Wissenschaftler.

Reuters