KARLSRUHE (dpa-AFX) - Seit dem ersten Diesel-Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) steht Zehntausenden VW-Klägern
Die wichtigste Entscheidung betrifft die Frage, ob der Konzern Klägern auch dann Schadenersatz schuldet, wenn diese ihr Auto erst nach Auffliegen des Abgasbetrugs im Herbst 2015 gekauft haben. Laut VW ist der Ausgang wegweisend für rund 10 000 noch offene Verfahren.
Der Wolfsburger Autobauer war am 22. September 2015 mit einer Ad-hoc-Mitteilung an die Aktionäre und einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit gegangen. Von da an war das Thema über Monate groß in den Medien. Volkswagen hatte damals auch eine Internetseite eingerichtet, auf der Autobesitzer überprüfen konnten, ob auch ihr Wagen einen Motor mit der illegalen Abgastechnik hat.
Der Kläger, dessen Muster-Fall der BGH nun entscheidet, hatte seinen VW-Diesel erst im August 2016 gekauft. Vor den Gerichten in Rheinland-Pfalz war er deshalb leer ausgegangen. (Az. VI ZR 5/20)
Die zentrale Frage dürfte hier sein, ob VW zu diesem Zeitpunkt noch vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorgeworfen werden kann. Für die Zeit vor Bekanntwerden des Skandals geht der BGH davon aus, dass der Konzern seine Kunden bewusst getäuscht hat und deshalb prinzipiell haftet. Bei der Berechnung der Ansprüche müssen sich Betroffene auf den Kaufpreis aber die gefahrenen Kilometer anrechnen lassen. Und Geld bekommt nur, wer sein Auto zurückgibt.
Damit sind die anderen rund 50 000 noch laufenden Verfahren letztlich vorentschieden. Der Konzern will diese Fälle nicht mehr vor Gericht durchfechten, sondern jedem Kläger eine individuelle Summe anbieten. Wer sich darauf einlässt, soll sein Auto behalten dürfen.
Ein wichtiger Punkt für VW sind noch die sogenannten Deliktszinsen. Dazu werden sich die obersten Zivilrichter in zwei der vier Urteile äußern. Deliktszinsen können fällig werden, wenn jemand einem anderen eine Sache oder Geld "entzieht". Klassischer Fall ist ein Diebstahl.
Im Dieselskandal geht es vereinfacht gesagt um die Frage, ob VW getäuschten Käufern neben dem Schadenersatz Zinsen auf das in das Auto gesteckte Geld schuldet. Das macht durchaus einen Unterschied: Der einen Klägerin hatten die Gerichte der Vorinstanzen gut 3000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Das Oberlandesgericht Oldenburg schlug noch einmal gut 1800 Euro an Zinsen auf. (Az. VI ZR 397/19)
Außerdem entscheidet sich, ob Vielfahrer, die so viele Kilometer zurückgelegt haben, dass die geschätzte Laufleistung ihres Autos überschritten ist, überhaupt noch Geld von VW bekommen. Das betrifft nach Konzern-Angaben aber nur wenige Kläger. (Az. VI ZR 354/19)
Alle Fälle wurden bereits verhandelt, zwei am 21. Juli und zwei am 28. Juli. Das erste Urteil soll um 11.00 Uhr verkündet werden. Die letzte Entscheidung ist die zum Autokauf nach Bekanntwerden des Dieselskandals. Sie ist für 13.00 Uhr terminiert./sem/DP/zb
Quelle: dpa-Afx