"Auf der EZB-Sitzung dürfte Draghi die Tür hierfür aber offenhalten", meint Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Draghi wolle zunächst einmal abwarten, wie sich die geplanten Geldspritzen auf die Wirtschaft und damit auch auf das Preisniveau der Währungsunion auswirkten. Die EZB hatte auf ihrer Juni-Sitzung beschlossen, Banken langfristig mit Liquidität zu versorgen. Die Institute sollen aber nur dann frisches Geld erhalten, wenn sie überdurchschnittlich viele Kredite vergeben.
Draghi will mit diesem - salopp auch "dicke Bertha" genannten - Geschütz bis zu eine Billion Euro in die Wirtschaft katapultieren. Diese Mittel sollen für mehr Investitionen, Konsum und letztlich auch für höhere Preise sorgen. Im Herbst sollen die ersten dreistelligen Milliardensummen fließen: "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die EZB die Auswirkungen abwarten wird, bevor sie überhaupt an neue Maßnahmen denkt", erklärt Postbank-Ökonom Thilo Heidrich.
SCHWÄCHERER EURO LINDERT SORGEN ETWAS
Die EZB hatte zudem erst im Juni die Leitzinsen auf das Rekordtief von 0,15 Prozent gesenkt. Das war Teil eines Maßnahmenpakets, um die Wirtschaft im Euro-Raum anzukurbeln. Bundesbankchef Jens Weidmann animiert die deutschen Arbeitnehmer zugleich zu einem größeren Schluck aus der Lohnpulle, was die Inflation etwas nach oben treiben dürfte. Der Hintergrund: Trotz Hochkonjunktur ist die Teuerung hierzulande mit zuletzt 0,8 Prozent weit niedriger, als es der EZB lieb sein kann. Sie strebt eine Rate von knapp zwei Prozent an, um einen großen Abstand zu sinkenden Preisen zu haben. Mit Spannung warten Experten darauf, wie Draghi sich zu den Vorschlägen Weidmanns positioniert, die von den Tarifparteien als Einmischung gerügt werden.
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn hält das Vorgehen Weidmanns indes für ein "taktisches Manöver". Die Bundesbank fürchte, dass die Deflationsdebatte wieder aufflamme und damit auch ein Wertpapierankaufprogramm wahrscheinlicher werden könne. Die Bundesbank trägt es als letztes Mittel gegen eine Deflation zwar mit, fürchtet aber bei einem voreiligen Öffnen der Geldschleusen langfristig negative Folgen für die Preisstabilität.
Zumindest mit Blick auf den Euro -Kurs kann die EZB etwas durchatmen. So hat er nach Berechnungen der BayernLB seit der Juli-Sitzung zum Dollar um 1,7 Prozent abgewertet. Die EZB hatte in den Monaten zuvor die zunehmende Stärke des Euro mit Sorge verfolgt: Diese macht den Exporteuren das Leben schwer, weil sich ihre Produkte im Dollar-Raum verteuern. Über sinkende Importpreise wird zugleich das Preisniveau niedrig gehalten. Der nun schwächere Euro könnte dafür sorgen, dass sich die Preisentwicklung "graduell" den Vorstellungen der EZB annähert, wie Stefan Kipar von der BayernLB sagt.
Die EZB prognostiziert für dieses Jahr eine Inflationsrate von 0,7 Prozent, die 2015 auf 1,1 Prozent steigen soll. Dabei veranschlagt sie einen Wechselkurs von 1,38 Dollar - derzeit sind es gut 1,34 Dollar. Bis zum Jahresende ist laut Kipar mit einer Inflationsrate von 0,7 Prozent zu rechnen. "Es stehen also noch einige schmerzhafte Monate mit niedriger Inflation bevor. Die Frage ist, ob die EZB vorher handelt, um den Schmerz abzukürzen."
Reuters