Jetzt hat der Krieg in der Ukraine auch noch die Preise für wichtige Rohstoffe der Autoindustrie wie Nickel, Palladium oder Aluminium in ungeahnte Höhen getrieben - und die Krisenstimmung in der deutschen Autoindustrie weiter angeheizt.
Dabei ist die Chipkrise für Hersteller wie BMW, Mercedes oder Volkswagen noch längst nicht ausgestanden. Nun sorgt der Konflikt in Osteuropa für explodierende Rohstoffkosten und neue Knappheiten bei wichtigen Zulieferteilen.
Wegen der Sanktionen des Westens gegen Russland haben die deutschen Autokonzerne nicht nur ihre Exporte nach Russ- land und ihre Produktion in den Werken vor Ort gestoppt. Weil auch Zuliefer- teile aus der Ukraine fehlen, insbesondere Kabelbäume, müssen die Hersteller zunehmend auch die Produktion in ihren deutschen Werken unterbrechen oder Kurzarbeit einführen.
In den vergangenen Jahren hatte sich vor allem die Ukraine zu einem günstigen und nahe gelegenen Produktionsstandort für diese Kabelbäume entwickelt - kilometerlange Leitungsgeflechte zur Strom- und Datenübertragung im Auto, die offenbar nicht so rasch über andere Zulieferer ersetzt werden können. Nun kommt es in den Werken zu immer mehr Produktionsausfällen. So hat der Sportwagenhersteller Porsche am Mittwoch die Produktion des E-Autos Taycan im Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausen bis Ende nächster Woche gestoppt.
Kritik an der Strategie
Die Lage ist branchenweit angespannt. Beispiel Mercedes: Der Autobauer arbeitet nach eigenen Angaben mit Zulieferern in der Ukraine zusammen, die verschiedene Komponenten für die Fahrzeugproduktion liefern. "Wir versuchen mit unseren Lieferanten, unsere Lieferketten abzusichern - auch über Produktionsverlagerungen an andere Standorte", sagte eine Mercedes-Sprecherin zu €uro am Sonntag. Ab kommender Woche werde die Schichtplanung angepasst. BMW hatte bereits in der vergangenen Woche die Produktion in den Werken Dingolfing und München gestoppt, fährt sie inzwischen aber schrittweise schon wieder hoch. Wirtschaftsverbände wie der DIHK rechnen dennoch mit weiteren Unterbrechungen in den Lieferketten.
Damit wird auch die Kritik an den deutschen Autobauern lauter, insbesondere an deren Zulieferstrategie. "Sie stolpern von einem Versorgungsloch ins nächste", sagen Kritiker. Die Hersteller sollten deshalb endlich ihre globalen Lieferketten überdenken und auch eine entsprechende Reservehaltung aufbauen.
Bei VW wehrt man sich gegen diese Vorwürfe: "Niemand hat mit so einem Angriff auf die Ukraine rechnen können." Das sogenannte Double Sourcing, also identische Teile von zwei voneinander unabhängigen Zulieferern zu beziehen, sei bereits durch die Versorgungsengpässe bei Halbleitern stärker im Fokus. "Die Lieferketten werden bereits daraufhin überprüft", heißt es bei Volkswagen.
Auch Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer hält die Kritik an den Autobauern für überzogen: "Es ist ein zeitlich überschaubares, regionales Problem", sagte Dudenhöffer zu €uro am Sonntag. "Kabelbäume werden in Billigländern produziert mit wenig Technologie. Sollte die Lage mehrere Monate sehr kritisch bleiben, ließe sich die Produktion relativ einfach verlagern." Kurzfristige Engpässe ließen sich zudem mit Kurzarbeit überbrücken und könnten aufgeholt werden, so Dudenhöffer. Die Situation sei "Lichtjahre vom Problem der Halbleiter entfernt".
An der Börse erholten sich am Mittwoch die stark heruntergeprügelten Autowerte zum Teil deutlich, vor allem VW. Noch vor zwei Wochen hatte die Aussicht auf einen lukrativen Börsengang der Sportwagentochter Porsche zu einer regelrechten Rally bei VW- und Porsche-Holding-Aktien geführt. Durch den Ukraine-Krieg ist diese günstige Perspektive in den Hintergrund gerückt.
Volkswagen Die Aktie musste bereits im vergangenen Jahr wegen Chip-Engpässen kräftig Federn lassen, nun kommt noch der Ukraine-Krieg dazu.
ehr