Für Großbritanniens Zugehörigkeit zur Europäischen Union (EU) und den Zusammenhalt des Königreichs bringt der Wahlsieg der Konservativen neue Ungewissheit. Cameron, der am Freitag mittag von Königin Elizabeth den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten sollte, hat eine Volksabstimmung bis 2017 über den Verbleib in der EU angekündigt. Seine bisherigen Regierungspartner, die Liberaldemokraten, brachen bei der Wahl ebenso ein wie die Labour-Partei. Gewinner der Wahl sind auch die schottischen Nationalisten. Die Börse in London reagierte mit Kursanstiegen für Aktien, auch das britische Pfund legte zu.

Bei den Wahlverlierern gab es erste personelle Konsequenzen. Camerons Herausforderer Ed Milliband trat als Vorsitzender der Labour-Partei zurück. "Ich allein trage die Verantwortung für das Ergebnis", twitterte er. Auch der Chef der Liberaldemokraten, Nick Clegg, gab sein Amt als Parteichef auf.

Der Zusammenhalt des Landes dürfte durch den Wahlsieg der Nationalisten in Schottland auf die Probe gestellt werden. Deren Partei SNP gewann 56 der 59 Mandate aus Schottland für das Unterhaus. Vor einem Jahr hatten sich die Schotten noch gegen eine Abtrennung von Großbritannien ausgesprochen. Cameron ging auf das Abschneiden der schottischen Nationalisten mit versöhnlichen Worten ein. Sein Ziel sei es, Großbritannien als eine Nation und ein Vereinigtes Königreich zu erhalten.

Auf Seite 2: HOCHRECHNUNGEN SEHEN FÜR TORIES 328 VON 650 SITZEN



HOCHRECHNUNGEN SEHEN FÜR TORIES 328 VON 650 SITZEN

Die Auszählung der Wahlkreise war auch am Freitag mittag noch nicht abgeschlossen. Hochrechnungen zufolge könnten den konservativen Tories bis zu 328 Mandate erringen. Damit würde Cameron nicht nur über eine effektive, sondern über die absolute Mehrheit verfügen. Sein bisheriger Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, wurden abgestraft: Nach 57 Sitzen bei der Wahl 2010 liefen sie nach Hochrechnungen Gefahr, nun nur noch einstellig zu sein. Die EU-feindliche Ukip wurde prozentual zwar drittstärkste politische Kraft, konnte wegen des Mehrheitswahlrechts aber nur einen Sitz erringen. Parteichef Nigel Farage verpasste den Einzug ins Unterhaus und legte daraufhin den Parteivorsitz nieder.

Auf Seite 3: EU-REFERENDUM WIRFT SCHATTEN VORAUS



EU-REFERENDUM WIRFT SCHATTEN VORAUS

Die EU-Kommission schließt nach dem Wahlsieg Camerons Änderungen an den Grundprinzipien der EU aus. "Die vier Freiheiten sind nicht verhandelbar", sagte der Chefsprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, mit Hinweis auf den freien Verkehr von Personen, Dienstleistungen, Waren und Kapital im EU-Binnenmarkt. Cameron hatte Einschränkungen beim Prinzip der Freizügigkeit für Arbeitnehmer gefordert und dies mit dem Zuzug von Osteuropäern nach Großbritannien begründet. In seiner Partei haben die EU-skeptischen Tönen in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.

Die US-Ratingagentur Moody's warnte, sollte das von Cameron angekündigte Referendum den Austritt aus der EU zur Folge habe, könnte dies Konsequenzen für die Wirtschaft und möglicherweise auch für die Kreditwürdigkeit Großbritanniens haben.

An den Finanzmärkten kam Camerons Wahlsieg hingegen gut an. Der Auswahlindex FTSE stieg zeitweise um 2,2 Prozent und das Pfund Sterling verteuerte sich um rund zwei US-Cent auf 1,5470 Dollar. Offenbar trauten Anleger den Konservativen eher zu, das britische Haushaltsdefizit in den Griff zu bekommen, schrieb Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz in einem Kommentar.

Die britische Wirtschaft hatte sich während Camerons Regierungszeit vom tiefsten Abschwung seit Ende des Zweiten Weltkriegs erholt und ist zu einer der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der industrialisierten Welt geworden.

Reuters