Von der raschen Erholung ihres wichtigen Handelspartners profitiert auch die deutsche Wirtschaft: Mercedes-Benz etwa verkaufte auf dem weltgrößten Automarkt im ersten Quartal so viel wie nie zuvor. Allerdings gibt es auch erste Hinweise, dass Chinas Aufholjagd von der Corona-Krise vorbei ist und sich der Aufschwung verlangsamt. Die Behörden in Peking treibt zudem die Sorge vor einer Vermögenspreisblase um.
Das Bruttoinlandsprodukt sei von Januar bis März um 18,3 Prozent zum Vorjahreszeitraum gestiegen, teilte das Statistikamt am Freitag mit. Das ist das größte Plus seit Beginn der Quartalsstatistik 1992. Von Reuters befragte Ökonomen hatten sogar mit einem Plus von 19 Prozent gerechnet nach 6,5 Prozent Ende 2020.
Künftig dürften die Wachstumsraten aber geringer ausfallen, denn diesmal war das erste Quartal 2020 der Vergleichszeitraum. Damals war die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft wegen des Corona-Ausbruchs und drakonischer Gegenmaßnahmen mit Ausgangssperren und Fabrikschließungen abgeschmiert. Im Vergleich zum Vorquartal gab es diesmal nur noch ein eher bescheidenes Wachstum von 0,6 Prozent - weniger als halb so viel wie von Experten vorhergesagt und weit weniger als im Schlussvierteljahr 2020 mit 3,2 Prozent. Gedämpft wurde der Aufschwung von regionalen Corona-Ausbrüchen etwa rund um das Neujahrsfest im Februar, auf die der Staat mit strengen Eindämmungsmaßnahmen reagierte.
"Die Wirtschaft hat bereits das Vorkrisenniveau übertroffen, weshalb die politische Unterstützung zurückgezogen wird, so dass Chinas Aufschwung abflacht", sagte Ökonom Julian Evans-Pritchard von Capital Economics. "Wir gehen davon aus, dass das Wachstum im Quartalsvergleich für den Rest des Jahres bescheiden bleiben wird, da der jüngste Boom im Baugewerbe und bei den Exporten nachlässt." Das sehen andere Experten ähnlich und warnen davor, sich vom Rekordwachstum im Vorjahresvergleich blenden zu lassen. "Die konjunkturelle Dynamik im Reich der Mitte hat weiter Fahrt aufgenommen, wächst allerdings weitaus weniger fulminant, als die jüngste Wachstumszahl nun suggeriert", sagte LBBW-Ökonom Matthias Krieger.
Für das Gesamtjahr rechnen von Reuters befragte Ökonomen mit einem Plus von 8,6 Prozent - dem größten seit einem Jahrzehnt. Die offizielle Zielmarke der Regierung von sechs Prozent würde damit locker übertroffen. 2020 hatte es nur zu 2,3 Prozent gereicht, dem geringsten Plus seit 44 Jahren. Allerdings war China damit die einzige große Volkswirtschaft weltweit, die trotz Corona überhaupt wuchs. Die deutsche Wirtschaft etwa brach wegen der Pandemie um 4,9 Prozent ein.
"China war ein Krisengewinnler", erklärte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel, das gute Abschneiden im internationalen Vergleich. "Die Homeoffice-bedingte Sondernachfrage nach Computern, Bildschirmen, Tastaturen und Computermäusen hat der chinesischen Exportwirtschaft während der Krise einen kräftigen Schub gegeben. Das Exportgeschäft mit Masken tat sein Übriges." Sobald die USA und Europa zur Normalität übergehen, dürften die rekordhohen chinesischen Exportzuwächse der Vergangenheit angehören.
ANGST VOR PREISBLASE
Umso wichtiger für Volksrepublik ist daher, das die Binnennachfrage an Schwung gewinnt. Hier gab es zuletzt starke Zahlen: Der Einzelhandelsumsatz stieg im März um 34,2 Prozent zum Vorjahresmonat und damit stärker als erwartet. Der an Schwung gewinnende Konsum ist auch eine gute Nachricht für die deutschen Exporteure, die nur in den USA noch mehr absetzen als in China. "Die deutschen Exporte nach China haben die Chance, überdurchschnittlich zuzulegen und schwächere Nachfrage in anderen Märkten auszugleichen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Joachim Lang. "China und die Vereinigten Staaten werden dieses Jahr die Wachstumslokomotiven der Weltwirtschaft sein und mit ihren Nachfrageimpulsen das Wachstum in der EU stützen."
Das können die deutschen Autobauer bestätigen: Volkswagen etwa steigerte seinen Absatz in China von Januar bis März um 61 Prozent, Daimlers Pkw-Marke Mercedes-Benz feierte einen neuen Quartalsrekord in China mit einem Plus von 60 Prozent.
Ihr Comeback verdankt die chinesische Wirtschaft auch großzügigen staatlichen Hilfen, etwa für kleinere Firmen. Die dürften nun aber schrittweise zurückgefahren werden, da die Konjunktur auf einem solideren Fundament steht. Die Zentralbank etwa will das Kreditwachstum eindämmen, um Risiken für das Finanzsystem abzubauen. Die Behörden fürchten vor allem einen überhitzten Immobilienmarkt und haben die Banken aufgefordert, bei der Vergabe genauer hinzuschauen, um Vermögensblasen zu verhindern. So wuchsen die Preise für neue Häuser im März so schnell wie seit sieben Monaten nicht mehr. Platzt eine Vermögenspreisblase, würden viele Banken auf ihren Kreditforderungen sitzen bleiben und selbst in Schlingern kommen - mit verheerenden Folgen für das Finanzsystem und wegen der zunehmenden Bedeutung Chinas wohl auch für die Weltwirtschaft.
rtr