Seine letzte Hauptversammlung als Infineon-Chef ist für Reinhard Ploss zur Ehrenrunde geworden. Sowohl Aktionärsvertretern als auch Aufsichtsrat zollten dem Manager, der Ende März die Führung abgibt, ihren Respekt. Dass der Konzern, der in den Nullerjahren in eine existenzielle Krise geraten war, heute "hervorragend" dastehe, sei ganz wesentlich das persönliche Verdienst von Ploss, betonte Aufsichtsratschef Wolfgang Eder.
Ploss geht Ende März in Rente, sein Nachfolger Jochen Hanebeck ist derzeit für das operative Geschäft zuständig. Hanebecks Posten geht an Rutger Wijburg, der zuletzt in Dresden für den Hochlauf der Produktion zuständig war. Ploss, der seine Karriere noch bei der ehemaligen Infineon-Mutter Siemens begonnen hatte, sagte, der Abschied falle ihm nicht leicht. Man habe gemeinsam schwierige Zeiten gemeistert. "Ich bin stolz darauf, was wir in den letzten Jahren geschaffen und bewegt haben."
Infineon glänzt
Ploss hinterlässt den DAX-Konzern stark: Aktuell profitiert Infineon von der extremen Nachfrage nach Chips. Im abgelaufenen ersten Quartal von Oktober bis Dezember steigerten die Bayern das operative Ergebnis aller Segmente gegenüber dem Vorquartal um 16 Prozent auf 717 Millionen Euro. Der Umsatz kletterte um fünf Prozent auf 3,15 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorquartal. Unter dem Strich belastete ein erhöhtes Steueraufkommen das Ergebnis. Der Gewinn belief sich im ersten Quartal des Geschäftsjahres auf 457 Millionen Euro und damit etwas weniger als im Quartal zuvor.
Der Chipkonzern hob bei der Zahlenvorlage Anfang Februar seine Umsatzprognose für das Geschäftsjahr 2021/22 (per Ende 30. September) um 300 Millionen auf 12,5 bis 13,5 Milliarden Euro an. Auch beim operativen Gewinn erwartet Infineon mehr, nachdem der Konzern die Erwartungen im ersten Quartal übertroffen hatte.
Große Investitionen
Um die starke Nachfrage nach Halbleitern bedienen zu können, investiert Infineon in neue Fertigungs-Standorte. Erst vergangenes Jahr ging - zum angesichts der Chipkrise perfekten Zeitpunkt - ein neues Werk im österreichischen Villach an den Start. Am Tag der Hauptversammlung wurde bekannt, dass das Unternehmen mehr als zwei Milliarden Euro in eine neue Fabrik in Malaysia investiert.
Die Anlage solle in der zweiten Jahreshälfte 2024 den Betrieb aufnehmen und wird dann die dritte Fabrik des Konzerns am dortigen Standort Kulim sein. Bei voller Auslastung werde sie zwei Milliarden Euro zusätzlichen Jahresumsatz mit Produkten auf Basis von Siliziumkarbid und Galliumnitrid ermöglichen, teilte der Konzern am Donnerstag mit. Der designierte Chef Hanebeck sagte, das Unternehmen sehe nachhaltiges Wachstumspotenzial bei diesen neuen Materialien. "Zur Reduzierung der CO2-Emissionen sind innovative Technologien sowie die Nutzung grüner elektrischer Energie Schlüsselelemente." Erneuerbare Energien und Elektromobilität seien Haupttreiber für starkes und nachhaltiges Wachstum der Nachfrage nach Leistungshalbleitern.
Unsere Einschätzung zur Infineon-Aktie
Am Tag nach der Hauptversammlung wird die Infineon-Aktie ex Dividende gehandelt. Das bedeutet: Der Kurs des Papiers wird um die Dividende gekürzt. Auf den Schlusskurs von Donnerstagabend bezogen (32,33 Euro) sind das minus 0,27 Euro. Am Freitagnachmittag notiert die Infineon-Aktie rund zwei Prozent im Minus bei 31,50 Euro.
Die Aktie knüpft damit weiter an die zum Jahresstart begonnene Kursschwäche an - noch im November 2021 markierte der Kurs bei 43,46 Euro ein Rekordhoch. Das Kursminus der Handelswoche beläuft sich auf zwei Prozent. Seit Jahresanfang steht ein Verlust von 22 Prozent zu Buche. Das dürfte nicht allzu sehr überraschen: Technologiewerte sind derzeit bei Anlegern nicht sonderlich gefragt und fliegen aus den Depots.
Bei manchen Börsianern wächst aber bereits die Furcht vor Überkapazitäten. Der Markt sei in Sorge, dass die Party bei den Halbleitern bald zu Ende sein könnte und dass die derzeit angekündigten und sich auch schon im Bau befindlichen Produktionsausweitungen schon bald zu Überkapazitäten führen würden, sagte Portfoliomanager Markus Golinski von Union Investment. "Das Risiko wächst, dass steigende Lagerbestände in einigen Produktbereichen in Kürze zu einer Korrektur führen könnten."
Die Aktie war nach den Q1-Zahlen durch unseren Stoppkurs bei 35 Euro gefallen. Wir belassen das Infineon-Papier bei Beobachten.
ak/dpa-AFX/rtr