Ein Pionier aus den Niederlanden rollt den Markt für Schnellladestationen auf: Fastned heißt das Unternehmen, das hierzulande kaum bekannt ist. Im Heimatmarkt und in Belgien sind die gelben Elektrotankstellen hingegen öfter zu sehen. Vor Kurzem erhielt das Unternehmen den Zuschlag für zehn Standorte an belgischen Autobahnen. Auch in Deutschland gibt es bereits Ladestationen. An einem Rewe-Markt in Gießen können Fahrer seit Dezember Strom tanken. Weitere Stationen beim Supermarktriesen sollen folgen. Insgesamt betreibt Fastned rund 140 Schnellladestationen, mehr als 160 sind in der Pipeline. Die Auswahl ist streng: Lediglich an vielbefahrenen Straßen wird gebaut. Getankt wird mit hoher Kilowattzahl und grünem Strom. Mit 15 Minuten laden kommt man bis zu 300 Kilometer weit.
Aktuell haben Schnellladestationen einen kleinen Marktanteil. Doch soll dieser kräftig wachsen. Fastned ist ein sogenannter Early Mover, war also bereits sehr früh im Markt, was einen entsprechenden Vorteil darstellt. Noch ist der Umsatz eher gering: Nach Schätzungen von Kepler Cheuvreux sollen es dieses Jahr rund 16 Millionen Euro sein. In den Folgejahren soll er sich allerdings jeweils verdoppeln. Gewinne sind noch nicht in Sicht. Mit etwas mehr als 900 Millionen Euro Börsenwert ist Fastned stolz bewertet, einiges an Zukunftsfantasie ist bereits im Kurs enthalten. Erstaunlich, dass Kepler das Kursziel bei 135 Euro sieht. Aktuell steht der Titel bei 55 Euro. Klar ist aber auch, dass es eine Wachablösung klassischer Tankstellen in der Zukunft geben kann. Gelb sind in Deutschland bislang vor allem die Tankstellen von Shell und jetzt eben auch die von Fastned.
Aktuell sieht es so aus, als sollten Elektromotoren die Verbrenner verdrängen. Analyst Alexander Potter von Piper Sandler geht davon aus, dass bereits in 19 Jahren Elektrofahrzeuge dominieren und die Durchdringung im Jahr 2040 bei 97 Prozent liegen wird. Interessanterweise sieht er dann Volkswagen an der Spitze der Hersteller mit einem Marktanteil von elf Prozent, gefolgt von Tesla mit einem Anteil von zehn Prozent. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Treffen diese Prognosen auch nur ansatzweise ein, ist dies Zündstoff für die gesamte Branche.
Riesige Nachfrage nach Ladepunkten
Damit der Elektrokarren nicht ins Stottern kommt, muss die entsprechende Infrastruktur zur Verfügung stehen. Momentan kommen die Hersteller von Ladestationen kaum mit der Produktion hinterher. Noch macht der Anteil der privaten Tankstellen mit Wallboxen im privaten Raum, also für Haushalte und Firmen, mehr als zwei Drittel des Marktes aus. Mit der stärkeren Durchdringung der Elektrofahrzeuge dürfte sich dies allerdings ändern. Tankstellen, Supermärkte oder öffentliche Parkplätze werden immer häufiger mit Stromzapfsäulen ausgestattet sein. Laut einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) wird sich der Bedarf an Ladesäulen in Deutschland bis zum Jahr 2030 auf etwa 400 000 Stück erhöhen und damit mehr als Verzehnfachen. Etwas mehr als zehn Prozent, also rund 50 000 Stück, sollen dann Schnellladesäulen mit einer Leistung von mehr als 150 kWh ausmachen.
Für die beteiligten Unternehmen bietet dies eine riesige Chance. Auch BCG glaubt an das Zeitalter elektrischer Autos: Jeder zweite verkaufte Neuwagen soll bis zum Jahr 2030 ein Hybrid- oder ein rein elektrisch betriebenes Fahrzeug sein. Der Strombedarf für die Autos soll den Schätzungen zufolge bis dahin jährlich um 34 Prozent wachsen. Den Umsatz mit dem Verkauf des Stroms schätzt das Beratungshaus in neun Jahren auf sieben Milliarden Euro. Aktuell liegt dieser zwischen 300 und 500 Millionen Euro.
Auch deutsche Firmen vorn dabei
Getrieben wird der Markt aktuell auch von Förderprogrammen, die Nachfrage ist extrem hoch. Bereits acht Monate nach der Einführung im November vergangenen Jahres ist die halbe Milliarde Euro, die die KfW für private Ladestationen zur Verfügung stellte, bereits aufgebraucht. Insgesamt wurden 600 000 Ladepunkte ausgeliefert. Jetzt wurde es nochmal um 300 Millionen Euro aufgestockt. Und es gibt es noch verschiedene andere Förderprogramme: So werden etwa Ladepunkte bei Firmen gefördert, die ihren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, Strom zu tanken. Auch will die Regierung Schnellladehubs subventionieren. Insgesamt fließen mehr als zwei Milliarden Euro in die Industrie. Ziel der Regierung ist es, bis 2030 eine Million öffentlich zugängliche Ladestationen in Deutschland zu haben. Die Diskrepanz zu den bislang installierten Ladesäulen ist groß: Stand Ende März sind es lediglich 40 000 gewesen.
Bei Compleo kommt diese Unterstützung gut an: Die Unternehmensführung ist sich sicher, dass der große Schub im Jahr 2022 kommt. Seit dem Börsengang im Oktober legte der Aktienkurs um 80 Prozent zu. Damit ist Compleo in Deutschland das erfolgreichste IPO der vergangenen zwölf Monate. Stark ist das Unternehmen immer noch von Wachstum geprägt: Während der Markt in den kommenden Jahren Experten zufolge im Schnitt um rund 30 Prozent zulegt, will Compleo noch eine Schippe drauflegen: "Unsere Analysten schätzen, dass wir in den nächsten zwei Jahren den Umsatz um jeweils 60 Prozent steigern", sagt Finanzchef Peter Gabriel. Seit 2009 haben die Dortmunder mehr als 50 000 Ladepunkte in 15 Ländern in Europa ausgeliefert und sind eines der führenden Unternehmen.
Mit der Übernahme von Wallbe hat sich das Unternehmen noch einmal deutlich verstärkt. Und der Hunger scheint noch nicht gestillt. "Finden wir etwas Passendes, greifen wir auch künftig zu", sagt Gabriel. Aktuell verhandelt Compleo mit Eon um die Übernahme der Innogy eMobility Solutions GmbH. Diese produziert ebenfalls Hard- und Software für das Laden von Elektrofahrzeugen. Ein Vertragsabschluss wird im dritten Quartal angestrebt. Der Preis soll im mittleren zweistelligen Bereich liegen und aus einer Bar- und einer Aktienkomponente bestehen. Die Übernahme wäre eine weiterer Schritt, schnell das Wachstum zu forcieren. Von der Planung über die Installation und die Wartung bis hin zur Fehlerbehebung bieten die Dortmunder alles an. Auch die Produktpalette ist groß: Sie reicht von etwas leistungsschwächeren sogenannten AC-Ladestationen für Unternehmen, Flotten und Kommunen bis zu DC-Lösungen. Diese sind besonders dann gefragt, wenn das Laden schnell gehen muss. Kunden sind Stadtwerke, mittlere Unternehmen oder DAX-Konzerne. Zuletzt gewann Compleo bei einem großen Energieversorger die Ausschreibung von intelligenten Wallboxen. Bald könnten aus dieser Branche weitere folgen. "Solche Aufträge finden Beachtung und sorgen für Aufmerksamkeit", sagt Gabriel. Organisch sowie durch Übernahmen soll das Wachstum stark bleiben. Der Aktienkurs zog zuletzt wieder an.
Der Wettbewerber, der am ehesten mit den Dortmundern vergleichbar ist, ist Alfen, obwohl er deutlich breiter aufgestellt ist als Compleo. Es gibt drei Geschäftsbereiche: Die Niederländer bieten intelligente Stromlösungen, also Smart Grids, Batteriespeicherlösungen und eben auch Ladegeräte für Elektroautos an. Ähnlich wie Compleo bindet Alfen die Ladegeräte über eine Software in die Back-up-Systeme der Kunden ein, sodass diese ihre Ladepunkte direkt steuern können. Für Berenberg zählt Alfen ganz klar zu den Gewinnern der Energiewende. Früh hat BÖRSE ONLINE auf den Titel hingewiesen. In den kommenden Jahren sollten die Erlöse jährlich um 30 Prozent zulegen. Zudem ist das Unternehmen bereits profitabel. Aufgrund der Größe, Alfen macht deutlich mehr Umsatz als Compleo, der Marktdominanz im Inland und des Wachstums im Ausland sollte sich künftig auch die Marge weiter verbessern. Bis zum Jahr 2030 rechnen die Analysten von Berenberg damit, dass das Unternehmen in Europa 475 000 AC-Ladepunkte verkauft. Und auch das Segment Batteriespeicher dürfte künftig überproportional wachsen. Mittelfristig könnten noch deutlich höhere Kurse zu sehen sein.
Ein Unternehmen, das wohl die wenigsten mit Ladestationen in Verbindung bringen, ist Heidelberger Druck. Derzeit werden in Wiesloch-Walldorf im Dreischichtbetrieb Wallboxen für das Laden zu Hause produziert. Die Kapazitäten will der Hersteller von Druckmaschinen bis zum Jahresende verdoppeln und dann nochmals weiter ausbauen. Laut Unternehmen liegt der Marktanteil für die Ladestationen im Eigenheim bei 20 Prozent. Insgesamt lieferte es rund 50 000 Ladepunkte aus. Im Geschäftsjahr 2020/21 verdoppelte sich der Umsatz auf mehr als 20 Millionen Euro. Das Ökosystem im Haus soll künftig eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehören die Vernetzung zwischen Solaranlagen, Auto und Energiespeicher sowie Abrechnungssysteme. Ziel ist es, die gegründete Tochtergesellschaft an die Börse zu bringen. Und auch bei den Druckmaschinen scheint bei dem gebeutelten Konzern der Boden gefunden.
Auf einen Blick
Elektrotankstellen
Weil immer mehr Elektroautos auf die Straße drängen, wird die Anzahl der Ladepunkte in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Es entsteht eine Branche, die es in dieser Form bislang so noch nicht gab.