Die Niederlande lockern die Corona- Maßnahmen - trotz steigender Infektionszahlen. Vor allem für Jugendliche wird der Alltag erleichtert, etwa mit Mannschaftssport im Freien. Auch Schüler der höheren Klassen dürfen wieder zum Unterricht. Außerdem haben Friseur- und Kosmetikbetriebe erneut geöffnet. Und auch das Einkaufen in Geschäften soll unter Auflagen wieder gestattet sein. Zudem versucht man sich an einem Test: Veranstaltungen wie Fußballspiele, Theater und ein Festival im Freien sollen stattfinden. Mit bis zu 1500 Zuschauern.

Trotzdem ist das noch keine Rückkehr zur Normalität. Die Regierung in Den Haag verlängerte nämlich die nächtliche Ausgangssperre bis zum 15. März. Dagegen war zuletzt heftig protestiert worden. Man befinde sich in einer sehr schwierigen Phase, ließ der Chef der Mitte- Rechts-Koalition, Mark Rutte, wissen.

Dass die Dinge in Holland etwas anders laufen, sieht man auch daran, dass viele Läden in den Grenzstädten um - vor allem deutsche - Shopping-Klientel werben. Ganz legal kommen Kunden aus Nordrhein-Westfalen in das Nachbarland, um jenseits der Grenze einzukaufen. Doch auch umgekehrt läuft es mit den Geschäften. Nach China sind die Niederlande inzwischen wichtigster Handelspartner Deutschlands. Noch vor den USA, noch vor Frankreich. Der deutsch-holländische Außenhandelsumsatz lag 2020 bei 172,8 Milliarden Euro.

Ausgemachter Brexit-Gewinner


Und spitze sind die Niederlande inzwischen auch in Sachen Börse: Zahlreiche Investoren haben nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU ihren Handel von London an die in Amsterdam ansässige Börsenplattform Euronext ausgelagert. So vervierfachte sich im neuen Jahr das tägliche Handelsvolumen an der Euronext Amsterdam (inklusive der Terminbörsen Cboe Europe und Turquoise). Das ist top in Europa. Man rangiert damit vor dem einstigen Spitzenreiter London - und vor Paris und Frankfurt.

Die Niederlande sind Brexit-Gewinner. Insgesamt sind im vergangenen Jahr 78 britische Unternehmen dorthin umgezogen. Mit großen Plänen: Tausende neue Arbeitsplätze soll es geben und viele Millionen Euro Investitionen. Stark vertreten sind die Bereiche Handel, Finanzen, Medizin, Landwirtschaft, Logistik und Vertrieb. So sichert man sich den ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt der EU. Auch zahlreiche US-Finanzadressen haben die Niederlande als Standort für ihre Europa-Geschäfte gewählt. Die geografische Nähe zu London, die Internationalität, das wirtschaftsfreundliche Umfeld und die niedrigen Unternehmenssteuern sind dafür entscheidend.

Ähnlich sieht es bei den Börsengängen aus. Viele Investoren schätzen die vergleichsweise laxe Regulierung, die denen der USA ähnelt. So gelang beispielsweise dem polnischen Logistiker InPost in Amsterdam mit einem Volumen von 2,8 Milliarden Euro der bisher größte Börsengang Europas in diesem Jahr. Zudem wollen der französische Milliardär Bernard Arnault und der frühere Commerzbank- Chef Martin Blessing in Amsterdam einen SPAC auflegen, also einen "leeren" Börsenmantel, der mit der Zeit mit Investitionen "gefüllt" werden soll.

Spannender Börsen-Mix


Weil auch die Rohstoffbörse Intercontinental Exchange ihren Europa-Sitz von Großbritannien in die Niederlande verlegt, ist man fast an die Zeit vor 400 Jahren erinnert, als Amsterdam das Zentrum für Warenhandel in Europa war. Daraus ging die älteste Effektenbörse Europas hervor, der Vorläufer der Börse Amsterdam.

Auch die bereits notierten Unternehmen sind vielversprechend. So sind etliche der größten europäischen Digitalfirmen in Amsterdam notiert: etwa die Internetfirma Prosus, der Zahlungsdienstleister Adyen und der Lieferdienst Just Eat Takeaway. Und im niederländischen Leitindex AEX sind Großbanken wie ABN Amro und erfolgreiche Halbleiterwerte wie ASML versammelt.

Der Zahlungsdienstleister Adyen ist einer der interessantesten Werte des Europa-Leitindex Euro Stoxx 50. Das Geschäftsmodell besteht aus der Abwicklung von Bezahlvorgängen - etwa mit Kreditkarten. Im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung beschleunigt das Unternehmen sein Tempo auf dem Weg zum führenden Zahlungsunternehmen im Onlinehandel. Eine mögliche Erholung des Geschäfts mit Zahlungen in der Tourismusbranche birgt zusätzliche Fantasie.

Ebenfalls weiter aussichtsreich ist der Philips-Ableger Signify. Der Lichtkonzern hat zuletzt Umsatz- und Gewinnerwartungen übertroffen. Zum Kerngeschäft mit LED-Beleuchtungen, die 82 Prozent am Konzernerlös stellen, kommen neue Produkte wie das UV-C-Licht auf Leuchten und Lichtleisten, das eine desinfizierende Wirkung bei Coronaviren hat. Signify sollte so auch in den nächsten Jahren im zweistelligen Bereich wachsen.

Weiter nach oben gehen könnte es auch mit ASML: Der Techkonzern, der komplexe Maschinen für die Chipproduktion herstellt, ist auf Jahre hinaus ausgebucht. Die Nachfrage nach Halbleitern ist seit Monaten extrem hoch. So mussten beispielsweise Autobauer wie Daimler und Volkswagen ihre Produktion drosseln, weil sie nicht schnell genug an die Elektronikbauteile kamen, die sie für ihre Fahrzeuge brauchen. Die Chiphersteller kommen nicht mehr hinterher, Kapazitäten müssen ausgebaut werden. Das ist gut für Unternehmen wie ASML.