Wenn es um Zahlen geht, weiß der Diplom-Ökonom auch genau, wovon er spricht. Hofmann ist einer, der in nächtlichen Tarifverhandlungen geschwind selbst bis zur zweiten Nachkommastelle ermitteln kann, was ein Angebot wert ist. Die Gegenseite, etwa der Arbeitgeberverband Südwestmetall, schätzt ihn aus der Zeit als IG-Metall-Chef in Baden-Württemberg als zuverlässig, findig und zielorientiert, wie Hauptgeschäftsführer Peer-Michael Dick sagt. Zugleich habe Hofmann trotz aller Liebe fürs Detail neben der Tarifpolitik auch die Gesamtwirtschaft im Blick: "Er sieht das große Ganze."

Am Dienstag soll Hofmann auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt gewählt werden. Der 59-jährige Schwabe fällt aus dem Schema der Ersten Vorsitzenden der weltweit größten unabhängigen Gewerkschaft heraus. Seine Vorgänger, der ausscheidende Detlef Wetzel und zuvor Berthold Huber oder Franz Steinkühler, hatten Werkzeugmacher gelernt. Sie waren im Betrieb, ehe sie sich auf den Weg von der örtlichen Verwaltungsstelle bis zur Gewerkschaftszentrale in Frankfurt machten. Hofmann lernte nach dem Abitur zwei Jahre auf einem Bauernhof und war dann ein Jahrzehnt mit Studium und Forschung der Wirtschaftswissenschaft beschäftigt. Deshalb kann er den Drang, wirtschaftliche Faktoren bis ins Kleinste nachzuvollziehen, nicht ablegen und fuhr auch schon mal mit dem dicken Handbuch eines Statistikprogramms in Urlaub, um eine Mitgliederbefragung selbst auswerten zu können.

TARIFHANDWERKER

In mehr als einem Jahrzehnt an der Spitze der IG Metall im Südwesten, der nach Nordrhein-Westfalen zweitgrößte und dank seiner guten Verankerung in Konzernen wie Daimler und Bosch der mobilisierungsfähigste Bezirk, hat Hofmann wichtige Tarifabschlüsse errungen. So fand er in der letzten Krise 2008 mit den Arbeitgebern einen Weg, die Talfahrt in den Unternehmen ohne Entlassungswelle zu überstehen. "Jörg Hofmann steht für klare Kante, was die Arbeitnehmerrechte betrifft", beschreibt ihn sein Nachfolger in Stuttgart, Roman Zitzelsberger. "Er hat aber auch einen Blick dafür, was für die Unternehmen wirtschaftlich machbar ist." Südwestmetall-Chef Dick findet allerdings, der Gewerkschaftsführer überdrehe auch schon mal mit Regelungswut bis ins Detail die Gerechtigkeitsschraube.

Als Zitzelsberger sich vor zwei Jahren nach Hofmanns Wechsel in die Frankfurter Zentrale bei den Granden der Landespolitik als neuer Bezirkschef vorstellte, spürte er den Respekt der Politiker gegenüber seinem Vorgänger. "Er beherrscht dieses Parkett und begegnet Politikern auf Augenhöhe", sagt er. Seit 2013 ist Hofmann der zweite Mann an der Gewerkschaftsspitze und hat die Schwerpunkte für die nächsten Jahre mitentwickelt. So will die IG Metall unterbinden, dass Unternehmen über Aufträge an Werkvertragsfirmen geringere Tarife etwa für Logistikdienste zahlen als in der Metallindustrie. Aus Sicht der Arbeitgeber ist das ein schädlicher Allmachtsanspruch der IG Metall. Ein weiteres großes Thema werden Regeln zur Arbeitszeit in der Ära mobilen Arbeitens, in der die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit fließend werden. Mit Blick auf die nächsten Jahre mit Hofmann an der Spitze prophezeit Südwestmetall-Geschäftsführer Dick: "Das wird deutlich ungemütlicher."