Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag von einem Mitglied des Aufsichtsrats erfuhr, soll schon im Juni auf einer Klausurtagung die künftige Führungsstruktur des Konzerns auf den Weg gebracht werden. Eine andere Person mit Kenntnis der Vorgänge sagte, das Thema solle "in Kürze" beraten werden: "Wer führt welche Marke?" Offen ist zudem, wer Piech als Chef des Aufsichtsrats folgt.

Mit dem Umbau der Führung könnte Winterkorn den Weg für seinen Nachfolger ebnen, der das Unternehmen, das vom Motorrad bis zum schweren Laster alles herstellt, was auf Straßen fährt, ins nächste Jahrzehnt führen soll. Der 67-Jährige, der VW seit 2007 lenkt, wollte sich dazu am Rande der Hauptversammlung in Hannover nicht äußern. Dort stand vor allem die Aufarbeitung des Führungsstreits im Vordergrund, der vor gut einer Woche mit dem abrupten Abgang Piechs seinen Höhepunkt erlebt hatte. Piech, der von 1993 bis 2002 selbst an der Spitze von VW stand und dem 13 Prozent des Unternehmens gehören, nahm zum ersten Mal seit Jahren nicht am Aktionärstreffen teil.

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WEG INS NÄCHSTE JAHRZEHNT

Unter seiner und Winterkorns Regie ist Volkswagen in den vergangenen Jahren massiv gewachsen, hat es nach Überzeugung von Experten aber versäumt, sich um das Zusammenspiel der im Konzern schlummernden Kräfte zu kümmern. Mit weltweit zuletzt mehr als zehn Millionen ausgelieferten Fahrzeugen sind die Niedersachsen zwar auf dem Sprung, den Dauerrivalen Toyota von der Weltmarktspitze zu verdrängen. Intern mehren sich allerdings Zweifel, ob das Riesenreich mit seinen zwölf Marken und weltweit fast 600.000 Mitarbeitern noch steuerbar ist. Deshalb werden schon seit einiger Zeit Modelle durchgespielt, wie Volkswagen anders organisiert werden könnte.

Dabei könnte Winterkorn eine Strategie wiederbeleben, die unter seinem Vorgänger Bernd Pischetsrieder entwickelt wurde: die sogenannten Markenwelten. Mit ihnen hatte Winterkorn bei seinem Amtsantritt vor acht Jahren experimentiert. Damals hatte er die Pkw-Marken zunächst in eine Premiumgruppe mit Audi, Bentley, Bugatti und Lamborghini und eine mit VW, Skoda und Seat zusammengefasst. Später gab er das Modell wieder auf, weil es den Marken kaum Freiheiten ließ und der damals noch übermächtige Aufsichtsratschef Piech mehr Konkurrenz verlangte. Das bereitet allerdings Probleme bei der Umsetzung des dem Legobaukasten ähnelnden Baukaustenprinzips, bei dem Teile und Baugruppen wie Getriebe, Fahrzeugboden, Achsen und Motor so ausgelegt sind, dass sie nicht nur für einen Autotyp passen, sondern gleich für mehrere Fahrzeugmodelle..

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VORSTANDS-BAUKASTEN

Denkbar ist, dass sich Winterkorn das Baukastenprinzip auch bei der Organisation des Vorstands zu eigen macht. Den Einstieg in eine umfassende Neuorganisation ebnete VW Ende Februar mit der Berufung von Porsche-Chef Matthias Müller in den Vorstand des Konzerns. Erwartet wird, dass er das Baukastensystem für Sportwagen überwachen soll, der im nächsten Jahr mit dem neuen Panamera starten soll. Insgesamt gibt es dann drei Baukästen: den Modularen Querbaukasten (MQB) für Fahrzeuge vom Golf bis zum Passat, den Längsbaukasten (MLB) für größere Wagen von Audi und den Sportbaukasten.

Die Hauptversammlung am Dienstag markierte den Übergang vom Bruch mit dem Firmenpatriarchen Piech in eine neue Ära. Für ihn will der Konzern bald einen Nachfolger finden, die Suche läuft hinter den Kulissen. Derzeit ist aber niemand in Sicht, der Piechs Fußstapfen rasch ausfüllen könnte. der 78-Jährige hatte Winterkorn in einem beispiellosen Machtkampf in den vergangenen Wochen aus dem Amt drängen wollen, war aber im engeren Führungszirkel gescheitert. Er trat daraufhin zusammen mit seiner Ehefrau Ursula Piech von allen Aufsichtsratsmandaten zurück.

Vor den Aktionären war Winterkorn bemüht, den Blick nach vorne zu richten. "Wie Sie wissen, wollen wir Volkswagen zur Nummer eins der Welt machen. Dafür brauchen wir volle Konzentration." Die Erfolgsgeschichte von VW werde weitergehen. Vor Piechs Lebensleistung habe er großen Respekt. VW habe ihm viel zu verdanken. "Ferdinand Piech hat die Automobilindustrie in den vergangenen fünf Jahrzehnten geprägt wie kein Zweiter - als Unternehmer, als Ingenieur, als mutiger Visionär."

Reuters