Mehrere Aufsichtsratsmitglieder mühten sich hinter den Kulissen um eine geordnete Debatte, nachdem Firmenpatriarch Ferdinand Piech vergangene Woche völlig überraschend auf Distanz zu Vorstandschef Martin Winterkorn gegangen war.

Auch von einem Treffen der Haupteigentümer von VW, den in der Sache zerstrittenen Familien Piech und Porsche, und einem Vieraugengespräch von Piech und Winterkorn war die Rede. Ob diese Termine auch zustande kommen, ist weiterhin nicht bekannt, wie Nachfragen bei Volkswagen, dem Großaktionär Niedersachsen, Aufsichtsräten oder dem VW-Hauptaktionär Porsche SE, der von der Familie beherrschten Holding, zu erfahren war. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil wollte sich nicht erneut zu dem Streit äußern. "Ich finde, es ist im Moment das klügste, dass man einfach nichts sagt."

Alles hängt nun von der Gesprächsbereitschaft Piechs ab. In seinem Salzburger Büro hieß es lediglich: "Kein Kommentar." Am Freitag hatte der Enkel des bekannten Konstrukteurs Ferdinand Porsche den Stab über seinen früheren Ziehsohn und langjährigen Wegbegleiter Winterkorn gebrochen und VW damit in Turbulenzen gestürzt.

Auf Seite 2: SPIELT PIECH AUF ZEIT?



SPIELT PIECH AUF ZEIT?

Ein wahrscheinliches Szenario ist nach Einschätzung eines Piech-Kenners, dass der 77-jährige Aufsichtsratschef wie schon bei früheren Fällen, als er andere Top-Manager absägte, auf Zeit spielt. "Piech ist ein Fuchs, der denkt taktisch: Er stellt Leute bloß, wartet ab, zermürbt sie." Bis zur Hauptversammlung am 5. Mai in Hannover könnte er Diskussionen und Beschlüsse im Aufsichtsrat hinauszögern. Bislang ist eine Mehrheit aus allen Vertretern der Arbeitnehmer, des Landes Niedersachsen und der Familie Porsche nicht mit Piechs Breitseite gegen Winterkorn einverstanden. Dieser will Medienberichten zufolge um seinen Job kämpfen.

Ob die Arbeitnehmer unter Führung von Betriebsratschef Bernd Osterloh ihm dabei zur Seite stehen werden, bezweifelt der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. "Osterloh hatte noch vor einigen Monaten Winterkorn persönlich demontiert, als er sein Sanierungsprogramm abgeschossen hat", sagte der Chef des CAR-Center Automotive Research der Universtität Duisburg-Essen.

Über die Beweggründe Piechs Winterkorn fallenzulassen, wird weiter spekuliert. Dieser hat zwar seit seinem Amtsantritt 2007 den Weltkonzern nach vorne gebracht. Zugleich häuften sich aber die Probleme, vor allem in den USA und bei VW selbst. Die neuesten Absatzzahlen zeigen einmal mehr, wo es in dem Zwölf-Marken-Konzern im Ringen mit Toyota um die Weltmarktspitze hakt: Der Absatz der Kernmarke VW schrumpfte im ersten Quartal um 1,3 Prozent auf 1,48 Millionen Fahrzeuge

Auf Seite 3: VW'S GRAUE EMINENZ



VW'S GRAUE EMINENZ

Autoexperte Dudenhöffer vermutet, Piech wolle Winterkorn als Vorstandschef kippen, weil er ihm inzwischen nicht mehr zutraue, den Konzern in die Zukunft zu führen. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, betrachtet Piechs Schritt als Initiative, Winterkorn als seinen Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats zu verhindern. Die graue Eminenz des Konzerns nehme deshalb in Kauf, den Vorstandschef zu diskreditieren. "Winterkorn wird es schwer haben, seine Autorität weiter auszuüben."

Wegen der Zermürbungstaktik Piechs, der VW selbst von 1993 bis 2002 leitete, könnte Winterkorn schließlich nach einigen Wochen öffentlicher Diskussionen entnervt aufgeben, um sein Lebenswerk als erfolgreicher Konzernlenker zu sichern, vermutet ein Autoanalyst, der nicht namentlich genannt werden will. "Eins ist doch klar - am Ende bekommt Piech seinen Willen, da können die anderen motzen wie sie wollen."

Reuters