Investoren und Kleinaktionäre werfen dem Konzern schon länger eine fehlende Unabhängigkeit des Aufsichtsrats von den Interessen der Haupteigner vor. Die Familien Porsche und Piech halten über die Porsche SE die Mehrheit am weltweit zweitgrößten Autobauer. Der einflussreiche Aktionärsberater Glass Lewis hatte Anteilseignern im Vorfeld bereits geraten, gegen die in der Tagesordnung des Aktionärstreffens vorgeschlagene Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat von VW zu stimmen.

Kern der Kritik ist der vor fast sechs Jahren aufgeflogene Dieselskandal, dessen Aufarbeitung den Konzern bereits mehr als 32 Milliarden Euro gekostet hat. Volkwagen habe die Lektion daraus nur halb gelernt, erklärte Janne Werning, ESG-Experte bei von Union Investment in seiner vorab verbreiteten Rede zu der virtuellen Hauptversammlung. "Bei grüner Elektromobilität nimmt VW eine globale Vorreiterrolle ein, aber die schlechte Corporate Governance ist nach wie vor die Achillesferse des Konzerns."

Einige Kleinaktionäre werfen dem Konzern außerdem vor, intransparent zu sein. Der Coporate-Governance-Experte Christian Strenger, der Volkswagen schon länger kritisch begleitet, erklärte in einem Gegenantrag zur Hauptversammlung, der Vorstand habe es auch 2020 versäumt, seiner aktienrechtlichen Verfolgungspflicht in Bezug auf ein mögliches Mitverschulden des damaligen Finanzchefs und heutigen Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch für mangelnde Kapitalmarktkommunikation zur Dieselaffäre nachzukommen. Der Aufsichtsrat hat den 70-jährigen VW-Oberaufseher zur Wahl für eine zweite Amtszeit vorgeschlagen. Fondsgesellschaften und Aktionärsvertreter reiben sich schon länger an Pötschs Doppelrolle als Chefaufseher von Volkswagen und Vorstandschef der Familienholding Porsche SE.

Auch das Vorstandsvergütungssystem stieß auf Widerstand sowohl bei der Union Investment als auch bei Kleinaktionären.

Die Grünen im niedersächsischen Landtag kritisierten den mit dem früheren Konzernchef Martin Winterkorn und weiteren Ex-Vorständen geschlossenen Vergleich. Die Frage eines Schadensersatzes durch ehemalige Manager sei damit bereits geregelt, bevor deren Verantwortung für den millionenfachen Betrug mit manipulierten Dieselfahrzeugen in Strafprozessen aufgeklärt und gerichtlich bewertet sei. Volkswagen hatte sich Anfang Juni mit Winterkorn auf die Zahlung einer Rekordsumme von 11,2 Millionen Euro Schadensersatz wegen Verletzung aktienrechtlicher Sorgfaltspflichten geeinigt. Ex-Audi-Chef Rupert Stadler zahlt den Angaben zufolge 4,1 Millionen Euro an Entschädigung. Den Vergleich sollen die Anteilseigner am Donnerstag absegnen.

rtr