Zehn Prozent Inflation hieß es vergangene Woche in Deutschland. Die höchste Teuerungsrate seit 1951 wirft immer mehr Fragen auf und immer mehr Blicke richten sich hoffnungsvoll zur EZB. Wird diese jetzt den nächsten Jumbozinsschritt wagen? Und was bedeutet das für ohnehin schon angeschlagene Papiere wie Immobilienaktien? Von Johann Werther
Immer mehr Währungshüter für Jumbo Zinsschritt
Nach den aktuellen Inflationszahlen im Euroraum und einer regelrechten Beschwerdewelle, warum die EZB so lange untätig geblieben ist, scheint sie nun doch zum Handeln entschlossen. Vermehrt sprachen sich schon Notenbänker für eine Erhöhung um 75 Basispunkte aus, einige sogar für 100. Unter dem Motto “50 ist das Minimum” trat auch Litauens Zentralbankchef gestern vor die Presse.
Die nächste reguläre Sitzung der EZB soll derweil erst Ende Oktober am 27.10.2022 anstehen. Doch es könnte auch schon früher zu einer außerplanmäßigen Sitzung kommen, sollte es Verwerfungen am Markt geben.
Natürlich bedeutet ein weiterer Zinsschritt nicht nur das Dämpfen der Inflation, sondern fördern primär eine aufkommende Rezession. Immerhin ist das Verbraucherklima schon historisch schlecht und steigende Zinsen kommen beim Markt und bei den Verbrauchern wohl mit gemischten Gefühlen an.
Immobilienaktien & Co. vor dem Abstieg
Doch was würde das für ohnehin schon verprügelte Branchen wie Immobilien und den Finanzsektor bedeuten, die allgemein hin sehr vom Zins abhängig sind? Tatsächlich könnte bei den Immobilienaktien noch eine Abwertung ins Haus stehen, die weniger aufgrund der Zinsen, sondern aufgrund der Wertkorrektur des eignen Portfolios erfolgen muss. Immerhin können Immobilienpreise nicht ewig steigen und da sich der Wert eines Hauses mit dem Zins berechnet, wird es wohl kaum möglich sein, die aktuellen Bewertungen weiter hochzuhalten.
Treffen sollte eine höhere Zinspolitik allerdings auch die Wachstumsunternehmen, welche noch nicht profitabel arbeiten. Allerdings haben wir auch hier schon eine massive Abwertung gesehen und den Unternehmen wird wahrscheinlich eher die Verschärfung einer Rezession zu schaffen machen, als die wirkliche Geldpolitik, für die sie am Kapitalmarkt schon heftig abgestraft worden sind.
Die Devise heißt “Durchhalten”
Doch selbst wenn es bald zum Jumbozinsschritt der EZB kommt und sich Aktien immer mehr zu verbilligen scheinen, so gibt es für Anleger nur eine Devise: Durchhalten. Die EZB, die sich durch ihre Schuldenpolitik der letzten Jahre die Hände gebunden hat, kann eine straffe Geldpolitik ohne Zusammenbruch der EU ohnehin nicht ewig durchhalten.
Wenn also zum Beispiel sehr zinssensible Investments wie Immobilienaktien jetzt noch mal stärker abwerten, so gibt es für interessierte Investoren nur eines, nämlich kaufen. Denn wie weit sollen die Anteilscheine einer Vonovia oder LEG noch fallen, bis sie kaufenswert sind? Die Mehrheit dieser Aktien notiert jetzt schon unter dem Buchwert und eine weitere Verbilligung dürfte nur ein umso größeres Schnäppchen bedeuten.
Hinweis auf Interessenkonflikte
Der Autor hält unmittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Vonovia