Der Münchner Chipkonzern baut ein zusätzliches Werk in Dresden - investiert damit in die Zukunft - und erhöht die Umsatz-und Gewinnprognose
Die starke Aufstellung von Infineon macht sich derzeit besonders bezahlt. Mit dem Kauf des US-Konzerns Cypress Semiconductor 2015 avancierten die Münchner zum weltweit größten Entwickler von Autochips, fokussiert auf wachstumsstarke Segmente wie Fahrassistenzsysteme und alternative Antriebe. Darüber hinaus erweiterte Infineon seine Kapazitäten bei Chipsystemen und erhöhte damit auch seine langfristige Profitabilität. Mit dem Erwerb des US-Konzerns International Rectifier 2020 hat der DAX-Konzern zudem sein Portfolio und seine globale Führung bei Leistungshalbeitern deutlich erweitert. Leistungshalbleiter, die Spannungen in verschiedenen Größenordnungen steuern, sind Schlüsselkomponenten für Wind-und Solaranlagen, einem weiteren aktuell aussichtsreichen Wachstumssegment im Chipmarkt. Darüber hinaus werden Infineons Leistungshalbleiter in zahlreichen Industrien und auch in Autos eingesetzt. Dazu passt, dass die Münchner nun - gegen den Trend bei vielen Chipkonzernen ihre Umsatz-und Gewinnprognose für das Geschäftsjahr bis Ende September erhöhen, vor allem wegen der steigenden Nachfrage aus der Automobilindustrie. Vor wenigen Tagen hatten Infineon-Konkurrent Texas Instruments, Weltmarktführer bei analogen Chips, die in vielen Branchen eingesetzt werden, und Qualcomm, weltweit führender Entwickler von Mobilfunkchips, hatten mit zurückhaltenden Prognosen für das Geschäftsjahr Anleger enttäuscht und die Stimmung in der Chipbranche insgesamt belastet
Mehr Umsatz, höhere Marge
Mit 16,2 Milliarden Euro Umsatz, 14 Prozent über Vorjahr, stellt Infineon 700 Millionen Euro mehr als bisher in Aussicht. Bei der operativen Umsatzrendite (Segmentergebnismarge) avisiert der Konzern nun 27 statt bisher 25 Prozent. In diesen Prognosen ist die 830 Millionen Dollar schwere Übernahme der kanadischen GaN Systems, eines Entwicklers von Galliumnitrid (GaN)-Chips, noch nicht berücksichtigt. Die neuartigen Leistungshalbleiter, sogenannte Verbindungshalbleiter, zu denen auch Siliziumcarbid-(SiC-)Chips gehören, sind wesentlich energieeffizienter und können in kleineren Strukturen verbaut werden als herkömmliche Leistungshalbleiter aus Silizium. In einigen Bereichen von Elektroantrieben und Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung sind sie deshalb erste Wahl. Infineon hat das Potenzial dieser Chips früh erkannt und begonnen, seine Kapazitäten entsprechend auszubauen. "Unsere Geschäfte rund um Elektromobilität, erneuerbare Energie- Erzeugung und Energieinfrastruktur entwickeln sich stark", erklärt infineon-Chef Jochen Hanebeck. Bei Chips für Smartphones, PCs und Haushaltsgeräte sei aber noch kein Aufschwung zu erkennen. Bei Leistungshalbleitern werde die Nachfrage das Angebot weiterhin deutlich übersteigen, prognostiziert die Barclays Bank und sieht Infineon und den französischitalienischen Konzern STMicroelectronics als Favoriten. Infineons Spatenstich für ein zusätzliches Werk in Dresden für Leistungshalbleiter und weitere Chips wurde an der Börse gefeiert. Die Aktie legte in der Spitze 3,7 Prozent zu. Die Fünf-Milliarden-Euro-Investition ist die größte in der Firmengeschichte. Ein Fünftel davon sollen Fördergelder, unter anderem aus dem "European Chips Act", sein. Wenn die Produktion im Herbst 2026 startet, strebt Infineon daraus mittelfristig fünf Milliarden Euro Umsatz an. Die Auslastung des Werks sollte kein Problem sein.
Auch der weltweit führende Chipauftragsfertiger und Infineon-Kunde TSMC verhandelt mit Partnern über ein Werk in Dresden
Währendessen verhandelt Infineon nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters mit dem weltweit führende Chip-Auftragsfertiger TSMC, ein wichtiger Auftragsnehmer der Münchner, zum Beispiel für elektonischen Steuereinheiten, sogenannte Microcontroller, und weiteren Partnern über den Bau einer Chipfabrik für TSMC in Deutschland. Es gehe um eine Investition von bis zu zehn Milliarden Euro, einschließlich Subventionen, meldete die Finanznachrichtenagentur Bloomberg am Mittwoch unter Berufung auf Insider. Als Partner urden neben Infineon auch der amerikanisch-niederländidche Chipkonzern NXP Semiconductors und Bosch genannt. Ein Infineon-Sprecher sagte, das Unternehmen kommentiere keine Marktgerüchte. Die übrigen Unternehmen antworteten zunächst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. Im März hatte Reuters unter Berufung auf Insider berichtet, dass der Bau einer TSMC-Fabrik in Sachsen in "greifbare Nähe" rücke. Der taiwanische Konzern plant demnach ein Werk, in dem Halbleiter mit einer Größe von 22 bis 28 Nanometern produziert werden, wie sie in der Autoindustrie verwendet werden. "Das sind die Chips, die die deutsche Industrie braucht", sagte die mit dem Vorgang vertraute Person. Infineon-Chef Jochen Hanebeck hatte sich schon im November in einem Reuters-Interview für den Bau weiterer Chipfabriken von Auftragsfertigern in Europa ausgesprochen und gesagt, es gehe um Chips in der Größenordnung von bis zu 28 Nanometern.